Politische Sidesteps. Zur grünen Zeitenwende.

Zwei Dinge werden einem an Parteitagen schnell klar.
Erstens: Parteien sind Bremser. Weil sich eine über ziemlich lange Zeit zusammengehörende Masse von Menschen mit nur langsam variierenden Argumenten über Jahre oder gar Jahrzehnte beharkt.
Und zweitens: Parteitage sind intellektuell meist niedrigschwellige Ereignisse, bei denen Sitzfleisch und Networking gefragt sind. Warum Abstimmungsprozesse, Versammlungskultur, dunkle Hallen und endlose Sitzungen wirklich attraktiv sein sollen, erschließt sich nur dem, der das Triumphgefühl beim Abstimmungserfolg über den innerparteilichen Gegner kennt.
Das ist, wie wenn Sisyphos mal feiert.
Aus alledem zeichnet sich für mich ab: Parteiendemokratie kann Weichen stellen, Rahmenbedingungen definieren, Richtungsänderungen erzwingen. Mehr aber nicht. Wer glaubt, dass sich Gesellschaften über politische Prozesse steuern lassen, der irrt gewaltig.
Der Wert einer demokratischen Diskussion liegt im Austausch von Argumenten, in der Korrektur seines Weltbildes, im Versuch, sich ein differenziertes und fachkundiges Urteil über das Thema, die Situation, die Lösungsansätze zu bilden.
Mehrheitsbildungsprozesse sind aber vergröbernde Prozesse, entweder-oder statt wenn-dann.

Die DDR und der gesamte Warschauer Pakt ist daran schon zugrunde gegangen. Und wenn linke und linksbürgerliche Politik nicht langsam beginnt, diesen Irrtum zu erkennen und den Wert von Politik neu einzupreisen, kann es bitteres Erwachen geben.
Bereits bei der nächsten Wahl.
Die Gesellschaft, die Bürgerinnen und Bürger sind da intuitiv schon längst weiter.
Sage mir, wie Du es machst und ich sage Dir, was dabei rauskommt.
Wenn man die Logik innerparteilicher Abstimmungsprozesse kennt, früher Schnippeln und Schere, heute Copy Paste, wähnt man, dass aus solchen Konstellationen weder besonders neue Erkenntnisse kommen können (sie müssen erst Mehrheiten finden), noch müssen diese Erkenntnisse richtig sein. Es geht ja um innerparteiliche Mehrheitsbildung.
Trotzdem feiert die Überzeugung, dass über Mehrheitsbildung Wahrheitsfindung stattfindet, in linken und linksbürgerliche Parteien fröhliche Urständ.
Grüne besonders betroffen.
Bisher, das hat Robert Habeck beim Hamburger Parteitag der Grünen vom 21.-23.11.2014 richtigerweise festgestellt, benötigten die Grünen diesen konzeptionellen Overboost. Schließlich war der Mainstream zuvor ganz anders. Und ganz von Gestern. Der Kanon deutscher Traditionen, dreigliedriges Schulwesen, lebenslange Ehen und der unendliche Glaube an eine ebensolche Atomenergie und Wachstum und Wohlstand und das christliche Wertefundament bildeten ein unerschütterliches Fundament. Und erst durch Chairos, den richtigen Augenblick und die konzeptionelle Wegbereitung der Grünen haben sich andere Werte und Wahrnehmungen Bahn gebrochen: Endlichkeit unseres Planeten, Risikopotentiale von Technologie, ein weltweiter Blick, der Wunsch nach offenen Lebensformen.
Alles Me too-Produkte.
Was nun, wenn alle ähnliches wollen, immer ähnlichere Personen, mit ähnlichen Biographien, ähnlicher Erfahrungsarmut und ähnlichen Karrierewünschen sich gegenseitige Konkurrenz machen wollen.
Alles Mee too Produkte. Oder was macht, von außen betrachtet, den Unterschied?
Reality counts. Not Papers!
Wie treibt man einer Partei seine Papiergläubigkeit aus? Wie gelingt es, dass politische Konzepte nicht daran gemessen werden, ob sie aus der Programmatik ableitbar sind. Sondern daran, ob, natürlich im Korridor dessen, was zu tun ist, die richtige Idee zur richtigen Zeit mit dem richtigen, also weder zu viel, noch zu wenig, Nachdruck verfochten wird. Und ob sie von den richtigen Akteuren verfochten wird. Nicht immer muss Politik weitere Aufgaben übernehmen und dafür Geld zur Verfügung stellen.
Wenn die Grünen dieses Learning nicht in reale Politik umsetzen, könnte es sein, dass Paul Nolte, der grüne Schwarzmaler, mit seinem Beitrag im November Recht hat. Dann könnte die Zeit der Grünen vorbei sein. Weil die Schlauen weiter ziehen, Weiter weg von der Politik.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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