Qoros. Und was uns ein chinesisches Topauto sagt.

Das ist nicht nur ein Artikel für Autoliebhaber. Qoros heißt ein Auto aus China, das bessere Crashtestwerte als der Golf hat, gut aussieht und auch technisch auf der Höhe sein soll.

Was sagt uns das? Alle die Politiker, die meinen, man müsse Wohlstand nur verteilen, aufgepasst. Der Wettbewerb wird besser, die Abstände geringer. Selbst im Autoland Deutschland.

Die Rezepte sind im übrigen einfach. man braucht, sagen wir 30 Personen, dann kann man alles machen. Auch eine chinesische Top-Autofirma.

nebenher sei bemerkt, dass man auch noch gut sein muss. Mit 30 und 300 Personen kann man beides, etwas auf die Beine stellen. Und etwas in den Sand setzen.

FAS, SONNTAG, 29. SEPTEMBER 2013
REISE
Qoros greift nach den Sternen
Die chinesischen Autohersteller bauen nur Schrott, der an Europas Crashwänden zerschellt? Plötzlich beweist Qoros das Gegenteil. Im November kommt die Marke in ihrer Heimat auf den Markt. In zwei Jahren soll Deutschland dran sein. Von Boris Schmidt
Gut möglich, dass den angestammten Herstellern auf ihren angestammten Märkten zum ersten Mal echte Konkurrenz aus China ins Haus steht. Eine, deren Fahrzeuge nicht an den europäischen Crashwänden zerschellt. Eine, deren Autos sich innen wie außen sehen lassen kann. Qoros nimmt Anlauf, und diese Woche hat die Marke ein Ausrufezeichen gesetzt. Im für die Branche in Europa maßgeblichen Unfalltest Euro-NCAP hat die Mittelklasselimousine Qoros 3 die Bestnote von fünf Sternen erreicht. Die Gesamtnote ist sogar besser als die des VW Golf (siehe Kasten).

Im November soll es dann so weit sein. Nach vier Jahren Entwicklungszeit bringt der chinesische Hersteller sein erstes Automobil auf den chinesischen Markt. Der Qoros 3 ist eine 4,61 Meter lange Mittelklasselimousine, die von einem 1,6-Liter-Vierzylinder-Motor (in zwei Leistungsvarianten) angetrieben wird. Ein Kombi und eine Version mit schrägem Heck folgen, das zweite, eigenständige Modell soll ein SUV werden. Ende 2015 wollen die Chinesen mit dieser Produktpalette auch in Deutschland präsent sein, der osteuropäische Markt wird noch früher in Angriff genommen. In der Slowakei hat schon der erste Händler einen Vertrag unterschrieben.

Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Zwar produziert Qoros seine Autos in China und ist zu 50 Prozent im Besitz des Autobauers Chery, doch das Sagen und Lenken haben Europäer. Die Führungsebene kommt bis auf den Finanz- und den Einkaufschef aus dem Westen, an einigen Schlüsselpositionen sitzen deutsche Manager und Techniker, die ihr Handwerk bei BMW oder VW gelernt haben. Vorstandsvorsitzender Guo Qan greift nicht in das operative Geschäft ein, das überlässt er Volker Steinwascher, der es nach seinem Abschied als Chef von Volkswagen America keine vier Wochen im Ruhestand ausgehalten hat. Ihn und all die anderen Europäer lockt das Abenteuer, beim Entstehen einer neuen Automarke dabei zu sein. Dabei ist nur der 70 Jahre alte Steinwascher ein „Oldie“, alle andern Topmanager sind zwischen 40 und 50, mit Ausnahme von Designer Gert Hildebrand (zuvor Mini), für den sich mit 60 der Traum erfüllte, „wirklich bei null“ anzufangen. Seine erste Aufgabe war das Qoros-Logo. Die Jüngeren wie Roger Malkusson (GM/Saab, zuständig für Fahrzeug-Integration), Klaus Schmidt (VW, Gesamtfahrzeug), oder Stefano Villanti (McKinsey, Sales and Marketing, Produktstrategie) setzen also durchaus ein wenig auf Risiko.

Doch es scheint alles nach Plan zu laufen. Der erste Messeauftritt in Genf im Frühjahr fand viel Beachtung, das Werk in Changshu bei Schanghai ist rechtzeitig fertig geworden, erste Vorserienautos werden schon produziert, in Kürze ist Serienanlauf. Mehr als 2000 Menschen hat Qoros, dessen Zentrale in Schanghai ist, inzwischen angestellt.

Umgerechnet 1,8 Milliarden Euro waren das Startkapital der Neulinge. Damit komme man in China viel weiter als in Europa oder Amerika, sagt Steinwascher in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Nur rund 300 Millionen Euro habe die Fabrik gekostet, in Europa zahle man mehr als das Dreifache. Deren Produktion ist zunächst auf 150 000 Einheiten im Jahr ausgelegt, sie kann aber auf 450 000 erweitert werden. Das Grundstück (ein Quadratkilometer) sei von der Bezirksregierung überlassen, die Baugenehmigung formlos erteilt. „Wir haben sogar ohne Genehmigung zu bauen begonnen. In China ist eben vieles möglich“, lächelt Steinwascher. Er glaubt fest daran, mit Qoros – der Name ist ein Kunstwort – einen Treffer zu landen. Man orientiere sich an der Qualität der europäischen Hersteller und setze dies auch in allen, wirklich allen Bereichen um. Die Fabrik hat die modernsten Werkzeuge, eine State-of-the-Art-Lackiererei, und sie ist nicht nur dort so klinisch sauber wie ein Labor. Die Zulieferer sind dieselben wie für die westlichen Hersteller, und auch der Motor, der von Chery zugeliefert wird, sei von und für Qoros verfeinert. Hier holte man sich Unterstützung von AVL aus Österreich, bei der Entwicklung des gesamten Fahrzeuges half Magna Steyr. Wobei es im Prinzip um eine gesamte Fahrzeugstruktur ging. Auf einer Plattform (ähnlich wie bei VW) können verschiedene Fahrzeuge gebaut werden, möglich sind Radstände von 2,64 Meter bis 2,82 Meter. Der Qoros 3 hat 2,69 Meter.

Qoros ist auf ihre Art eine internationale Marke, nicht nur wegen des Designstudios in München, in dem 30 Angestellte unter der Ägide von Hildebrand arbeiten, der ein zweites, fast ebenso großes Studio in Schanghai hat und dauernd pendelt.

Bis zum Start in Deutschland soll es auch Dieselmotoren geben, die Abgasnorm Euro VI soll erfüllt werden, und modernen Assistenzsysteme wie Spurhalte- oder Totwinkel-Assistent werden wohl auch zu haben sein. Das SUV komme sogar mit Hybrid-Technik, wird versprochen.

Ein kostenloser Internetzugang (Qoros Cloud) und ein mit Gesten zu steuernder 8-Zoll-Touchscreen oder eine Rückfahrkamera sowie LED-Leuchten (vorn wie hinten) sind jetzt schon Grundausstattung. Auf einem Markt, auf dem die Kunden zu mehr als 90 Prozent Smartphone-Benutzer sind, müsse dies so sein, sagt Marketingchef Villanti. Doch der chinesische Kunde bekommt die Qoros-Qualität nicht für lau. Noch scheut man sich, die exakten Preise bekanntzugeben, nach Auskunft von Steinwascher werden sie aber mindestens 20 Prozent über denen anderer chinesischer Autos dieser Klasse liegen. In Deutschland dürfte der Qoros 3 rund 20 000 Euro kosten.

Dass die Autos gut seien, beweise auch die starke Resonanz der chinesischen Autohändler, berichtet Steinwascher. Mehr als 60 habe man schon, 130 weitere kommen im Jahr 2014 dazu. In Genf habe man mehr als 200 ernsthafte Anfragen dieser Art bekommen. Und noch ein Indiz spreche für die Zukunft seines Unternehmens: Die meisten chinesischen Kunden halten die Autos für Produkte aus einem Gemeinschaftsunternehmen (alle westlichen Marken müssen sich per Gesetz einen Partner suchen) und nicht für ein chinesisches Auto, eben weil die Qualität so hoch sei. Die oft kolportierte Abneigung der Chinesen gegen Autos aus dem eigenen Land werde verschwinden, sobald es einen Hersteller gebe, der auf einem Niveau mit dem Westen sei, ist man bei Qoros sicher. (Der Marktanteil der zahlreichen heimischen Hersteller beläuft sich nur auf 43 Prozent, in Deutschland haben die heimischen Hersteller 66 Prozent Marktanteil.) Bleibt aus Sicht der Europäer zu hoffen, dass die Autofahrer im Reich der Mitte so begeistert sein werden, dass Qoros kaum Autos zum Exportieren hat.

Übrigens ist auch Qoros ein Gemeinschaftsunternehmen, eine Hälfte gehört einem israelischen Investor, der sich hauptsächlich im Bergbau engagiert. Der hatte auch Steinwascher an die Spitze geholt. Er kennt den Ex-VW-Mann noch aus den Zeiten, als dieser noch bei der Salzgitter AG war. Eine seiner ersten Dienstreisen führte Steinwascher 1963 nach Schanghai. Es gab damals nur ein Hotel für Ausländer, kein einziges Hochhaus, alle fuhren Fahrrad in blauen Kitteln, und nur einmal in der Woche ging ein Flug nach Peking. Mit der Eisenbahn dauerte die Reise mehr als einen Tag. 50 Jahre später fliegt alle halbe Stunde ein Flugzeug in die Hauptstadt, das Straßenbild ist bunt und bunter, die Staus sind lang und länger. Und aus Schanghai kommt bald eine ernstzunehmende Automarke.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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