Rache ist Blutwurst. Bin Laden und die Werte des Westens

Jetzt ist er tot. Der medial vermittelte gefährlichste Mann der Welt, Initiator von 9/11, wurde hingerichtet und „auf See bestattet“. Die Motive: Alttestamentarische Rache, die Seebestattung war, können wir davon ausgehen, ebenfalls darauf ausgerichtet, Rache an islamischen Werten zu nehmen. Ist das richtig? Ist das klug? Und was kommt?

Klug ist es nicht. Jeder Zeitungsleser weiß, dass Al Kaida eben nicht von oben gesteuert, sondern modern, flexibel, vernetzt ist, dass junge Männer ihr Leben für etwas scheinbar „größeres“ opfern. Und wenn es nur größeres Leid auf der Seite der anderen ist. Die Terrorgefahr ist tatsächlich größer geworden. Aber scharf geschalten hat die Terrorgefahr der Westen selbst. Das sollten wir nicht vergessen, wenn wir jetzt verstärkt Blut sehen.

Ist es strategisch? Kommt drauf an. Die Amerikanische Nation, stark auf Selbstbewußtsein und Selbstverteidigung gepolt, braucht offensichtlich innenpolitisch solche Akte, um Zusammenhalt und Gemeinsamkeit zu aktivieren. Seit Ende des Ost-West-Konfliktes wissen wir um die Identitätssitftung und Ordnung klarer Feindbilder.

Jetzt also der Nahe Osten. Die alten Statthalter des Westens, die echten und die tolerierten, kollabieren. Tatsächlich weiß niemand, was kommt. Die famosen Geheimdienste des Westens haben ja nicht einmal das Ende der alten Statthalter kommen sehen. Verschwörungstheorektikern werfen ein, die Hinrichtung Bin Ladens macht strategischen Sinn, weil es im Kreuzzug gegen den scheinbaren Islam notwendig ist, in den Krieg zu ziehen. – Und sich gleichzeitig den Zugriff auf die Erdölfelder und andere Ressourcen zu sichern. Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Und wo werden die deutschen Interessen verteidigt?

Es geht nicht darum, die europäischen oder westlichen Interessen zu leugnen. Aber es geht darum, daraus wenigstens eine Entwicklungsperspektive zu machen. Also eine Perspektive, in der die betroffenen Länder einen Korridor von Menschenrechte, Entwicklung, Wohlstandszuwachs etc. erkennen können. Davon sind wir aber weiter entfernt als jemals. Der Westen wird jetzt in den, in die Kriege ziehen müssen, mag sein, dass die anders heißen werden. Sicher ist aber, dass Koexistenz der Kulturen anders aussieht.

Muss der Westen also zusehen, wie ‚“seine Werte“ mit Füssen getreten werden? Muss er nicht. Wenn jetzt aber, auf Bildzeitungsniveau, auch in Europäischen Systemen nur Lagerbildung betrieben wird, also frei nach dem Motto, freust Du Dich über Bin Ladens Hinrichtung, bist Du einer von uns, freust Dich dich nicht, dann, …. beschädigt das die Software der Moderne, den rationalen Diskurs über Folgenabschätzung, Szenarienentwicklung, Befriedungsstrategien, etc.

Die Zeit ist reif. Die Zeit wäre reif für eine nüchterne Selbstbeschreibung des Westens. Es geht nicht um die Frage von Freiheit, Rechtsordnung, Demokratie und Wohlstand. Es geht um die Beibehaltung des Wohlstands- und Lebensmodells des Westens. Und wie man dieses Modell noch eine Weile weiterlaufen lassen kann. Aber darüber redet niemand.

Wenn dann hilflose Versuche der Demokratisierung in Wo auch immer unternommen werden, sind das eher Selbstberuhigungsstrategien von Politikern und Politikinszeniereren, die weiter mit Scheuklappen durch die Welt gehen wollen, anstatt den Blick aufs Ganze zu richten. Und ihre eigenen Fragen zuzulassen.

Man muss darauf keine Antwort haben. Aber man muss diese Fragen stellen können. Und: Ein politisches System, in denen diese Fragen nicht auf der Tagesordnung auftauchen, hat versagt. Rational und moralisch.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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