Wie geht eigentlich Regieren, wenn ständig an irgendeiner Ecke irgendjemand Betroffenheit reklamiert und sich daran macht, eine Kampagne zu starten?
Man kann die aufkeimende Empörung nicht einfach beiseite wischen. Man muss sie aber auch nicht sofort zum Zentrum der eigenen Politik machen. Man sollte es also als ein Rahmenelement der eigenen Politik verstehen.
In den Lehrbüchern der Politik steht, dass die Res Publica ein öffentlicher Raum ist, in dem ein ständiger Austausch von Meinungen stattfindet. Verständigung auf gemeinsame Deutungsmuster und Relevanzbereiche. Hannah Ahrend und Jürgen Habermas haben diese Idee als intreessenslosen Raum herausdestilliert. Wir könnten lange darüber streiten, ob die Idee des herrschaftsfreien Diskurses jemals Geltung hatte. Klar ist, dass es beim Auseinanderfallen von Deutungwelten zu weiteren Verwerfungen kommt.
In der modernen Medien und NGO-Öffentlichkeit findet Politik in einem Raum ständiger Erregung statt. Ständig branden neue Erregungswellen gegen das institutionelle Festland. Politik wird zur Bewährungsprobe, zum Dauerbelastungstest. Dagegen gilt es, Vorkehrungen zu treffen. Werden die heranrollenden Wellen frühzeitig erkannt, helfen Wellenbrecher und Küstengestaltung. Im akuten Notfall nutzen nur Sandsäcke oder Evakuierung. Und: Nach dem Sturm ist vor dem Sturm.
Wir befinden uns in einer Phase des Umbruchs. Die herkömmlichen politischen Institutionen müssen sich jeden Tag neu behaupten oder die alte Geltung wieder durchsetzen. Wenn Gesellschaft heterogener ist und immer weniger auf einen gemeinsamen Referenzrahmen bezug nehmen kann, steigt der Legitimations- und Absicherungsbedarf.
Aber mit ersten Erfolgen werden sich neue konstitionelle Setzungen etablieren. Alles fließt. Und die neue Küstenlinie ist schon im Ansatz zu erkennen.