Same Procedure as every year: Lobbyistenbashing. Diesmal am Beispiel Pofalla.

Schön, wenn es klare Fronten gibt. DIE WIRTSCHAFT hat wieder mal zugeschlagen. Ausverkauf im Staate Merkel. Nach von Klaedens Abgang zu Daimler kommt folgt jetzt Kanzleramtsminister Pofalla. Statt Familie soll er jetzt den Bypass zum 100 Prozent Eigner Bundesrepublik offen halten. Die Betroffenheitslobby schreit. Lobbycontrol und Transparency fordern den Nichtantritt des ehemaligen Kanzleramtschefs, das Kanzleramt hat keinen Kommentarbedarf, die Öffentlichkeit denkt, sieht man mal wieder, auch die Politik ist raff-raff.
Und wer länger hinschaut? Der erkennt einen klaren Fall von Überempörung und Unterregulierung. Eine systematische Antwort aus aktuellem Anlass.
Politik ist ein Mandat auf Zeit
Nun, grundsätzlich spricht nichts dagegen, wenn ein Politiker in die Wirtschaft geht. Allerdings steht hier wieder mal der Verdacht im Raum, hier würde ein einflussreicher Minister für Leistungen im Amt belohnt. Kann sein, kann aber auch sein, dass Pofalla und Bahnchef Grube sich gut verstehen und deshalb diese Verbindung weiter aufrecht erhalten wollen. Dagegen spricht grundsätzlich mal nix.
Das geht uns, die Beobachter und Staatsbürger auch nichts an. In solchen Fällen helfen klare Regeln. Andere Länder, die dpa hat das heute dokumentiert (siehe Anhang) sind da weiter. Hier haben das CDU/CSU und FDP mit heimlicher Unterstützung manches Unschärfe liebende Sozialdemokraten verhindert.
Weniger Empörung, dafür ein paar klare Regeln.
Vorschlag zum Wechsel: Zwei Jahre Abstandsgebot, analog der Regeln zum Wechsel von Vorstand in Aufsichtsrat für Minister und Staatssekretäre, Genehmigungspflicht und ein Jahres Abstand für Abteilungsleiter in Ministerien.
Dann sollte aber auch mal Schluss sein mit der Debatte. Wer die Hürden höher legen will, sollte wissen: Die Alternative zu Menschen, die aus oder in andere Positionen wechseln, sind Lebenszeitabgeordnete. Das kann niemand wollen. Denn die Wirklichkeitsferne der Politik wächst von Legislatur zu Legislatur. Volksvertretung sieht anders aus.
To big to fail. Das Problem ist nicht Wirtschaft und Politik. Sondern Konzerne und Politik.
Aber eine Unschärfe sei in diesem Zusammenhang angemerkt. Immer ist die Rede vom Wechsel in DIE WIRTSCHAFT. Tatsächlich ist das Problem aber das Verhältnis von Politik und Konzernen oder gar Staatskonzernen.
Kein Mittelstandsunternehmen würde sich für so teures Geld einen Lobbyisten einkaufen. Die Politik ist nicht der Markt. Und im Wettbewerb geht es um faire Rahmenbedingungen für alle. Oligopole, Monopole, National Champions, Daimer, BMW, Siemens, dann natürlich der Zwitter Telekom und Post und die staatseigene Bahn-AG, ihnen alle geht es nicht um Markt, sondern um Abschottung ihrer Privilegien.
Aber weil es schöner ist, auf „die Wirtschaft“ drauf zu hauen, bleibt man bei den alten Bildern.
Die Wirtschaftsverbände sind da übrigens nicht besser. Von den Familienunternehmen mal abgesehen, stimmen alle die alten Lieder an, wenn die Konflikte von Wirtschaft und Politik aufgerufen werden.
Einzig die ehemalige Merkel-Vertraute Müller (BDEW) plädiert für klare Regeln im Umgang von Wirtschaft und Politik, Lobbyregister und Transparenzrichtlinien.
Das ist es, was wir unter „Smart Lobbying“ verstehen: Politische Rahmensetzung nicht nur widerwillig zu akzeptieren, sondern sich als Unternehmen, als Wirtschaft an der gesellschaftlichen Debatte teilnehmen. Denn manche Themen sehen anders aus, wenn man hochfeine Regulierungen als Unternehmer ausbaden muss. Aber dafür müssen sich Unternehmen erst einmal Glaubwürdigkeit in der öffentlichen Arena verschaffen. Wie man das tut? Indem man aus dem Lemmingedasein ausschert und eigene Positionen entwickelt. Besonders smart ist es, wenn diese Positionen nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Gesellschaft weiterbringen.
Neben klaren Regeln erfordert das auch eine Haltung. Eine Haltung zu Grundwerten, Bekenntnis zu Demokratie, Freiheit und soziale Fairness und Zusammenhalt.

Der Überblick über die Regulierung in anderen Ländern (aus FAZ, 6.1.2014)

MONTAG, 06. JANUAR 2014
WIRTSCHAFT
In Großbritannien müssen Minister zwei Jahre warten
Regeln für den Wechsel in die Wirtschaft
BERLIN, 5. Januar (dpa). Der mögliche Einzug des ehemaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn sorgt für hitzige Diskussionen hierzulande. In anderen Ländern sind Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft an der Tagesordnung.
Großbritannien: Frühere Minister dürfen dem ministeriellen Verhaltenskodex zufolge nach dem Verlassen ihres Amtes zwei Jahre lang nicht als Lobbyisten arbeiten. In dieser Zeit müssen sie zudem jede Stelle, die sie annehmen, mit einem eigens für solche Fragen zuständigen Komitee abstimmen. Zugleich ist es aber üblich, dass Minister und Parlamentsabgeordnete Zweit-Jobs unter anderem in Aufsichtsräten großer Firmen haben. Diese müssen sie dem Kodex zufolge mit dem obersten Verwaltungschef des Ministeriums absprechen.
Schweiz: Es gibt keine Wartezeit für die Übernahme von Posten in der Wirtschaft, aber finanzielle Grenzen. Ehemalige Minister dürfen ihre Ruhestandsbezüge von 215 000 Franken im Jahr (175 000 Euro) nur bis zur Höhe ihrer früheren Ministergehälter von 430 000 Franken (350 000 Euro) aufbessern. Bei Interessenkonflikten sollen sie auf den neuen Posten verzichten.
Italien: Führende italienische Politiker bleiben gern in der „Umlaufbahn“ der Politik, sofern sie nicht aus der Wirtschaft kamen, also dorthin zurückkehren. Das spektakulärste Beispiel für einen Wechsel – allerdings von der Wirtschaft in die Politik – war Silvio Berlusconi, der vor zwei Jahrzehnten seine Polit-Karriere begann und das Land seitdem prägte wie kein Zweiter.
Frankreich: Im Nachbarland werden bei Regierungs- und Präsidentenwechseln politische Funktionäre gern mit hohen Posten in den zahlreichen Staatskonzernen versorgt. Das Gros der politischen und zum Teil auch der wirtschaftlichen Führungsriege kommt von den gleichen Eliteuniversitäten. Beispielsweise wechselte Ex-Wirtschaftsminister Thierry Breton nahtlos von der Wirtschaft in die Politik und wieder zurück.
Skandinavien: In den skandinavischen Ländern ist es nicht ungewöhnlich, dass Politiker in die Wirtschaft wechseln. Prominentes Beispiel in Dänemark ist der frühere Finanzminister Dyremose, der nach seiner politischen Karriere Chef beim Telekommunikationsunternehmen TDC wurde. In Schweden wurde der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Göran Persson Berater für ein PR-Unternehmen.
Vereinigte Staaten: Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft sind an der Tagesordnung. Die „Revolving Door“, die Drehtür, funktioniert vor allem zwischen Washington und der Wall Street bestens. Auffallend sind die vielen Banker von Goldman Sachs in politischen Spitzenämtern. So war George W. Bushs Finanzminister Henry Paulson zuvor Chef der Investmentbank. Die aktuelle Chefin der Börsenaufsicht SEC, Mary Jo White, arbeitete zuvor für die Großkanzlei Debevoise & Plimpton. Angesichts dessen stellte Anwalt Gregory Wallance, der selbst mehrfach die Seiten wechselte, im Magazin „Forbes“ fest: Die „Revolving Door“ sei so amerikanisch wie Apfelkuchen.
EU-Kommission: EU-Kommissare dürfen gemäß einem Verhaltenskodex innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt für ihren neuen Arbeitgeber bei der Kommission keine Lobbyarbeit in solchen Fragen betreiben, für die sie als Kommissar zuständig waren. In anderen Themenbereichen entscheidet eine Ethikkommission, ob der Ex-Kommissar die Arbeit machen darf. Für alle anderen leitenden Mitarbeiter der EU-Institutionen gilt ein einjähriges Lobby-Verbot im früheren Arbeitsbereich.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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