Die Umfrageergebnisse der AfD steigen scheinbar unaufhörlich. Heute (25.6.2023) schielen alle nach Sonneberg. Gelingt der AfD hier der Durchbruch? Dem politischen Berlin fällt dazu immer nur eine Idee ein: Wir Demokraten gegen die da. Die von der AfD. Dass sie damit nur deren Wahrnehmung stärkt, blenden sie aus. Und so wird AfD Zustimmung zur Kraftprobe: Mal sehen, wann sie uns endlich ernst nehmen!
Eine Intervention.
Kein Zweifel: Die Ergebnisse, ob bei Umfragen oder bei Wahlen sind besorgniserregend. Ich mache mir keine Illusionen über die Triebkräfte, die hinter der AfD und anderen Rechtspopulisten stehen. Krude Geldgeber, die die “Quasselbude” Bundestag, Europaparlament, Landesparlamente für überflüssig halten. Die sich selbst für die Größten halten, mal sichtbar und rührend, wie Heinrich XIII. Prinz Reuß, mal unsichtbarer und machtvoller, als Könige inszenieren. Oder als Führer wie Hoecke. Das Video steht ja immer noch online. Und trotzdem darf die Ablehnung, die Abscheu uns, die “Fortschrittlichen”, die “Aufgeklärten”, die Intellektuellen, die Linksliberalen von FDP über Grüne und SPD (und Teile der Linkspartei, Wagenknecht tickt da anders) nicht davon abhalten, den Teil, den wir zu diesem Auftrieb der Rechtsradikalen, “Klartextsprecher” beitragen, außer Acht zu lassen.
Was wir sehen: Die CDUCSU ist hin und her gerissen, traditionell konservativ, etwa das Modell Merz, die Appeasement-Variante Wüst oder gar der bayerische Populist Söder, also auch keine Alternative.
Und die Ampel?
Da wendet sich der Wähler, Unterstützer, auch das Parteimitglied mit Grausen ab. So viel Inszenierung, so viel Eitelkeit, so viel Selbstblockade, so viel intellektuelle Enteignung der Gesellschaft war nie. Und zwar alles im Namen des Fortschritts (SPD). Im Namen des Planeten. (Grüne). Im Namen der Freiheit (FDP).
Die Grenzen akademischen Denkens
Das Fass zum Überlaufen hat jetzt die Heizungsgesetzgebung gebracht. Ich will jetzt nicht über Verwandtschaften reden. Meines Erachtens spielte das keine Rolle, es ging nicht um Pöstchenzuschieben, sondern darum, dass die Grünen und ihr intellektuelle Umfeld den Marsch durch die Institutionen gemacht haben. Kurzbeschreibung: Aus der gesellschaftlichen Opposition kommend, den Aufwind der Liberalisierung der Gesellschaft nutzend (Willi Brandt: Mehr Demokratie wagen) hat sie nicht nur die Institutionen, sondern auch das gesellschaftspolitische Denken erobert. Faktisch, nicht geplant. Kerngedanken: Im Nachgang Jürgen Habermas, “herrschaftsfreiem Diskurs” die scheinbare Interessenslosigkeit von Wissenschaft überhöhend und als Gegenentwurf zum Gnadenlos-Lobbyismus von Flick und Brauchitsch (deren Spuren bis ins Grab von Helmut Kohl führen), hat sie, die neue intellektuelle Elite, ein Weltbild gezimmert, das wissenschaftliche Beratung und gesellschaftlichen Diskurs, veredelt zu Partizipation und deliberativen Verfahren, zur Grundlage scheinbar neutraler, objektiv richtiger Entscheidungen gemacht hat.
Das Ergebnis lautet Öko-Institut, Agora Energiewende, Graichen und eben: Gebäudeenergiegesetz.
Inzwischen scheinen sich alle einig: Ok, schlechte Kommunikation, der Vorentwurf wurde ja nicht ohne Grund geleakt, handwerklich schnell gestrickt.
Wenn wir aber genauer hinsehen, erkennen wir das eigentliche Problem: Es ist lediglich die konsequente Umsetzung der von der vorherigen Regierung, also CDU und SPD beschlossenen Zielsetzung, konkreter Vorgaben, wie viel CO2 bis wann einzusparen ist.
Von diesem Ziel ausgehend hat das Ministerium dann einfach gnadenlos heruntergerechnet, was man mit den heute zur Verfügung stehenden Technologien dann wie umsetzen könnte. Rein planerisch technisch. Und weil klar war, was das kostet, hat man dann über Förderprogramme geredet.
Soweit, so logisch, wenn auch nicht gut.
Der Rest ist Geschichte. Graichen ist weg, Robert Habeck hat die Konsequenzen gezogen und die Schleusen geöffnet. Jetzt gibt es erst eine kommunale Wärmeplanung, bis dahin darf jeder sich noch die geliebte Gasheizung einbauen. Energiewende tschüß!
Wollen wir das Klima retten? Oder Demokratie ernst nehmen?
Die Grünen, und sie sind immer noch die Partei, die die anderen Parteien vor sich hertreibt, über ihre Intellektualität, die sie zu abstrakter Logik befähigen, ihrer Klimaausrichtung und dem deutschen Common Sense (Mit dem Klima lässt sich nicht verhandeln). Ihre Denkmuster strahlen inzwischen weit, bis hin zu den JournalistInnen der FAZ und Frau von der Leyen aus, dominieren den politischen Diskurs wie keine andere Partei.
Vernachlässigt wird in diesem deduktiv rationalistischen Modell die Realität. Putins Krieg und die Folgen für die Gaszufuhr und den Gaspreis, wurden zwar gemanaged (Danke, Graichen), aber in seiner Folge nicht durchdrungen:
- Faktor eins, in der ein dekuktiver Transformationsansatz auf reale Widerstände gestoßen ist: Den Kosten und der Angst vieler Menschen, dass ihnen damit stillschweigend ihr Wohneigentum genommen werden könnte.
- Faktor zwei: Reale Engpässe. Fehlende Installateure, Absehbare Lieferengpässe bei Wärmepumpen.
- Faktor drei: unbeachtete Nebenwirkungen: Kostenexplosion durch künstliches Markthochfahren (Der Verkauf von Viessmann war eine rationale und logische Konsequenz, um der erwarteten expansiven Nachfrage entsprechen zu können)
- Faktor vier: Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Deutschland kann zwar Vorbild sein, aber deutsche Mortalität alleine das Klima nicht retten wird. (Die Energiewende und die Solarmarktübernahme durch chinesische Unternehmen hätte da eine Lehre sein können).
Und was hat das alles mit der AfD zu tun?
Das Gebäudeenergiegesetz war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es ist der Booster in Sachen Politikverdruss. Denn die BürgerInnen und Bürger “fühlen” inzwischen,
- dass die Politik von Linken bis zur CDUCSU, und zwar ausnahmslos, heile Welt versprechen (die einen, indem sie sagen, ihr werdet nichts spüren, das FDPCDUCSU Modell, die anderen, die behaupten, sie hätten einen Plan, GrüneSPDLINKE), aber die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl spüren, dass längst nichts mehr ist, wie es war. Begonnen von der Flüchtlingsfrage bis hinein in Alltagsfragen, Auflagen für Mobilität, Sprachauflagen etc.
- dass Politik inzwischen, und zwar von allen Parteien, von Menschen gemacht wird, die soziokulturell (und das äußert sich in der Sprache), nichts mehr mit Ihnen zu tun hat. Der Akademikeranteil im Bundestag liegt bei 80, in der Bevölkerung bei 20 Prozent),
- dass sie, auch wenn sie sich unpolitisch wähnen, so viel mitbekommen: Dass die Probleme der Welt sich so hoch auftürmen, dass das mit Heile-Welt-Versprechen und dem Scheinangebot auf Partizipation (wenn sich Bürger auf diesem Sprach- und Denkniveau einmischen wollten, wären sie längst in eine Partei gegangen) und Förderprogrammen nicht beizukommen sind.
Das hat sie schon bisher ratlos gemacht. Aber die Ampelkoalition hat dabei noch eins draufgesetzt. Die Anfangstöne (Neue Kultur wagen) und die Zwischenergebnisse (längst braucht man keine Opposition mehr, die hockt doch in der Regierung) klaffen so stark auseinander, dass jede Hoffnung entschwindet.
Und deswegen übt man die Provokation. Sarah Wagenknecht hat in diesem Zusammenhang übrigens recht. Auch wenn sie natürlich auch nur den Unmut kanalisieren kann, Lösungen bietet ihre Staatsfixierung auch nicht.
Die Menschen suchen nach Menschen, die greifbar sind, mit denen sie sich identifizieren können. Sei es Soeder (“A Hund sans scho”), Aiwanger (Einer von uns), Wagenknecht (Eine gegen alle). Oder diffuser, das “Wir sind auch noch hier”, AfD wählen.
Was tun?
Helene Bubrowski, die Leiterin des FAZ Parlamentredaktion hat ein Buch geschrieben, “die Fehlbaren”. Ihre Botschaft: Politiker müssten zu einer anderen Fehlerkultur kommen. DAs könne man aus Startups und selbst “der Wirtschaft” lernen. Spätestens seit Robert Habeck, der diese Idee des anderen Politikers umgesetzt hat und weiter umsetzt, können wir dieses Modell im Reallabor beobachten. Wir könnten lange darüber debattieren, ob Robert, hätte er schneller eingelenkt, besser gefahren wäre. Ich meine: Nein, wäre er nicht. Zum einen musste er auf das über Agenda und andere “Vorgedachte” zurückgreifen, schließlich haben kluge Menschen jahrzehntelange daran gearbeitet, andere Konzepte fallen da nicht vom Himmel. Zum anderen hätte er, meine These, dann sofort zugeben müssen, dass nach dem heutigen Stand der Technik und der Ökonomie die Klimaziele im Gebäudebereich so nicht umsetzbar sind: Im Energiebereich ist vieles ausgereizt oder am Laufen (und läuft nicht so, wie das im Plan stand), Verkehr und Gebäude greifen tiefer in den Alltag der Menschen ein. Und diese schnellen 2 Jahres Segment Ziele erfordern strikten politischen Dirigismus; -und das Gebäudeenergiegesetz hat erstmals flächendeckend sichtbar gemacht, dass der “politisch administrative Ansatz” nicht wirkt; zudem hat er über das Ping-Pong von Grünen und FDP für den und die Letzte sichtbar gemacht, dass es auf dem politischen Parkett nicht darum geht, Lösungen zu finden, sondern darum, sich gegenüber den anderen politischen Akteuren zu profilieren.
Die “seriösen Medien” übrigens sind da übrigens “Part of the Game”. Beispiel CDUCSU: Niemand redet da darüber, ob die Suche der CDU nach einem neuen Grundsatzprogramm, Grundwerten, Lösungsansätzen in die richtige Richtung geht, ob sie Lösungen zeigt. Nein, es wird auf “Einfaches, Menschliches” umgeschwenkt: Wird Merz Kanzlerkandidat oder doch Wüst? Ist er richtig, wenn die Polizeibeamtin und Leistungssportlerin Claudia Pechstein in Uniform auftritt?
Einfache Kost. Aber eigentlich irrelevant.
Mehr Ernsthaftigkeit, Streitfreunde (also Biertisch!), Standvermögen, Realitätsnähe, das wäre eine Lösung. Aber die deutsche Politik bleibt noch immer in der (west-)deutschen Selbstwahrnehmung des scheinbar unendlichen Aufstiegs gefangen (da sind Einwandernde, Migranten und Ostdeutsche schon weiter; – und deswegen distanzierter). Intellektuell entschwebt, glaubt man, glaubt Politik immer noch, alles selbst in die Hand nehmen zu müssen. Anstatt den Rahmen anders zu setzen, damit andere Lösungen finden können. Die Industrie zum Beispiel.
Und solange das GAP zwischen der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger und der politischen Selbstinszenierung nicht geschlossen wird, suchen die Menschen nach Glaubwürdigkeit, Anhaltspunkten, dass Menschen etwas anders machen als die anderen.
Und das heißt, die Menschen wollen “Typen”. Typen, mit denen sie sich identifizieren können, die “Austeilen”, aber auch einstecken können. Menschen, von denen sie den Eindruck haben, dass sie verstanden werden, dass sie sie repräsentieren.
Repräsentation. Das erfordert Vertrauen in die, die da machen. Die Logik repräsentativer Demokratie. Kein Mensch, wenn er nicht ohnehin beruflich damit befasst ist, will sich mit all den weitgehend unverständlichen Detailprogrammen beschäftigen, die da in der innerparteilichen Konsensbildung, der Koalitionsbildung ausgeheckt werden.
Denn da sagt die Erfahrung: Klappt doch nicht.
P.S. Eine ähnliche Logik könnte man übrigens anhand des Themas „Bootsflüchtlinge“ beschreiben. Glaubt wirklich jemand, dass Menschen, die dem Elend entkommen wollen, sich in Lagern weit weg vom verheißenen Land, kasernieren lassen? Nein, dann lieber das Risiko, zu sterben. Die Frage ist doch: Wie geht Politik mit Themen um, die sie nach ihren eigenen Maßstäben nicht lösen kann?????