Skandal! Warum es so nicht weitergeht.

Moral ist wichtig. Politische Moral ist wichtig. Und so ist auch der Skandal wichtig, der die Nichtanwendung von Moral auf die Tagesordnung bringt.

Denkt man. Aber auch das Gegenteil ist richtig.


Zuviel Skandalisierung führt nämlich zu Resistenzen. Und damit zum Weghören.

Das Thema ist nicht trivial für unsere modernen, demokratischen Gesellschaften. Gesellschaften, die vom Drang zu mehr Partizipation, mehr Mitbestimmung, mehr Politisierung, mehr Moralisierung und damit mehr Skandalisierung geprägt werden.

Treten wir einen Schritt zurück: Unsere Welt befindet sich im Umbruch:

Im technologischen Umbruch, das Internet, Informationstechnologie zerstört Lebens- und Geschäftsmodelle, macht fernes nah.

Im kulturellen Umbruch: Das Zeitalter des Westens geht statistisch zu Ende. Die großen wachsenden Volkswirtschaften, allesamt entweder autoritär geführt oder auf einer sehr brüchigen Basis von gesellschaftlicher Schwerkraft aufgebaut, wachsen und fordern Einfluß ein. Der Westen kann seinen hegemonialen Einfluß, seine kulturelle Dominanz nicht wahren. Aber wie geht man mit autoritären Staaten und Volkswirtschaften um, die über Rohstoffquellen, Kapital und damit Einfluß auf den „alten Westen“ gewonnen haben?

Die Moralisierung und wachsende Politisierung der Öffentlichkeiten des Westens bergen eine Gefahr: Sie sind Scheinkulissen, aufgebaut, um von anderen Fragen und Themen abzulenken.

Über Putins Machtpolitik wurde spekuliert und geredet wie über die Auseinandersetzung von Gut und Böse. Schwarz und Weiß sind aber längst keine vernünftigen Kategorien mehr, um komplexe und vielschichtige Prozesse und Entwicklungen abbilden zu können.

Tatsache ist: Laut FAZ haben die USA bisher 5 Mrd. Dollar verballert, um den Aufbau demokratischer Kulturen zu fördern.

Fünf Milliarden! Da ist es dann aus mit der Unschuld. Fünf Milliarden für politische Unterstützung, das bedeutet das Ende freier Meinungsbildung und den Anfang von Korruption.

Da unterscheiden sich der Westen und Putin dann nur noch in der Frage der Mittel, nicht mehr in der Frage der Folgen. Man könnte sagen: Es geht ums Geschäft, um den Einfluß, nicht ums Prinzip der Demokratie.

Demokratie ist ein wichtiges Prinzip. Die Idee, dass der Mensch über sein Schicksal selbst bestimmen soll, ist ein schönes Ziel. Der Gedanke, dass eine Gesellschaft miteinander redet, sich verständigt und dann Entscheidungen trifft, ist ein guter Grundsatz.

Er hat aber seine Grenzen. Wenn ständig alles thematisiert und politisiert wird, verliert der Bürger, der zwangsläufig immer Laie ist, den Überblick. Es geht um Vereinfachung. Deswegen wird zu Recht der Demagoge gefürchtet.

Und: Da die ganze Welt tagtäglich über den Bildschirm flimmert, ist die Auswahl dessen, was politisierbar ist, schier unbegrenzt. Dann wird jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Probleme werden nicht debattiert und entschieden, sondern überlagert.

Das lässt sich strategisch nutzen.

Was hinzukommt:

In einer zunehmend globalen Welt gibt es keine gemeinsamen Maßstäbe von Moralität mehr. Nicht alles, was in die richtige Richtung wirkt, muss gut aussehen. Oder auf dem Papier richtig sein. Wie findet man funktionierende Maßstäbe?

Und dann: Oftmals entwickeln sich die Dinge anders als man denkt. Nicht immer sind die ungeplanten Entwicklungen die schlechteren. Menschen denken Zukunft in den Bildern der Vergangenheit. Das führt nicht immer zu den richtigen Erkenntnissen.

Und dann noch: Politik in den europäischen Kulturen wird als Versprechenswettbewerb ausgetragen. Es dominieren Umverteilung und „Win-Win“-Gedanken. Die grundlegenden Fragen, wie die Gesellschaften ihren Reichtum herstellen (und das künftig machen wollen), diese Frage sind mit globalen Perspektiven, Standortwettbewerb, Leistungsfähigkeit und anderen unangenehmen Fragen behaftet. Sich mit ihnen zu beschäftigen, kann, siehe Schröder, bedeuten, bei den Wählerinnen und Wähler mit Nichtwahl bestraft zu werden. Wie kann in einer demokratischen Kultur des Übergangs, des Umbruchs, der Verteidigung dessen, was man hat, eine solche „verantwortungsbereite Kultur“ entstehen? Keine Antwort!

Und schließlich: Komplexität ist nicht einfach zu managen. Viele aktuellen Fragen, beispielsweise Regulierung und Deregulierung von Suchmaschinen, das TTIP-Abkommen, aber auch viele andere Fragen bedürfen, um einer sachgerechten Beurteilung zugeführt zu werden, der Differenzierung. Technologie hätte da großes Potential. Aber welcher gesellschaftliche Agent hätte Interesse, komplexe Fragen so zu verarbeiten, dass sie laienverständlich, abwägbar, versachlichbar sind? Haben sich nicht alle, NGOs und Politik, in ihren billigen Pappkulissen von „Rechts“ und „Links“ gut eingerichtet?

Was wir, die westlichen Gesellschaften benötigen, das ist die Wiedergewinnung der gesellschaftlichen Debatte vor dem parteipolitischen Agendasetting.

Wie das gelingen kann, ist noch weitgehend ungelöst. Immerhin: TTIP, Klimakonferenzen und andere, auch gescheiterte Versanstaltungen haben dazu geführt, dass das Außen nach Innen gerückt ist. Weltinnenpolitik statt Außenpolitik. Die Frage kooperativer Strategien, um etwas zu erreichen, rückt auf die Tagesordnung. Die Sensibilität für die Belange Dritter, die externen Folgen unseres Wirtschaftsweise, ist größer geworden.

Das ist schon mal ein Anfang. Aber wer bringt ihn auf der politischen Arena ein?

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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