Ich gebe zu, mich haben die Folgen der Thüringenwahl nicht weiter beschäftigt. Offensichtlich ging es nicht nur mir, sondern auch vielen Parteiverantwortlichen quer durch alle politischen Lager so. Das hat sich die AfD mit dem Neunazi Höcke zunutze gemacht.
Angesicht der hektisch panischen Reaktionen, die die Wahl des MInisterpräsidenten mit AfD-Stimmen ausgelöst hat, sei aber darauf verwiesen, dass es nicht nur darauf ankommt, was man macht, sondern wie man es macht. Und vor allem: Wie man darüber redet.
Was sollen eigentlich die Wählerinnen und Wähler denken, wenn quasi panische Parteien fast ohne inhaltliche Begründung sofort Neuwahlen fordern? Das Volk soll also so lange wählen, bis eine bequeme, den vorherigen Machtkonstellationen passende Mehrheit zustande kommt?
Peinlich, peinlich. Und Wasser auf die Mühlen all derer, die Protest gegen die unfassbare Ferne der etablierten Politik, also die Partei des unsäglichen Neunazis Höcke gewählt haben.
Mal nachdenken. Und dann sollten sich alle Parteien jenseits der AfD zusammensetzen, darüber reden, was sie in den nächsten vier Jahren in Thüringen für wichtig erachten. Und wie und in welcher Konstellation sie das machen würden.
Neuwahlen als erste Reaktion. Echt peinlich.
Warum ist es eigentlich von Bedeutung, *wer* eine Person bzw. einen Inhalt (bspw. ein Gesetz) wählt, befürwortet, verabschiedet? Nähe läge mir immer nur die Frage, *was* da entschieden wird. Ist der Inhalt richtig, freue ich mich über jede Zustimmung.
Ich halte zum Beispiel nichts von der Grundrente. Sie ist angesichts von schon jetzt über 100 Mrd. Steuerzuschüssen in die Rente und das bevor noch der demografische Wandel zuschlägt, unverantwortlich und schädlich.
Soll ich das jetzt aber nur deshalb gut finden, weil es von den richtigen, den selbst erklärten Demokraten entschieden wurde?
Thüringen zeigt die völlige Verwirrung nahezu der gesamten Öffentlichkeit. Sie wird nach meiner Überzeugung nur _eine_ Folge haben, eine Beschleunigung der Frustration auf Seiten der Bevölkerung und eine Stärkung der Extreme links und rechts bei den nächsten Wahlen.
Bin gespannt, was die „Demokraten“ tun, wenn die AfD demnächst 40% in Thüringen bekommt. Das Volk austauschen? Wahlrecht aberkennen?
Wenn man das mal politisch und nicht moralisch-empört betrachtet (wofür es natürlich gute Gründe gibt), dann stellt sich mir das so dar:
Im Landtag haben „Die Linke“ und die AfD zusammengezählt mehr als 50% der Sitze. Es ist also rein rechnerisch nicht möglich, eine Regierung zu bilden, ohne die Beteiligung von entweder den einen oder den anderen. Grundlage für die jetzige Lage ist die grundsätzliche Position der Bundes-CDU, auf gleiche Distanz zur Linken wie zur AfD zu gehen (und in der Thüringer Realität mehr Interesse an einer Abwahl Ramelos als einer Zurückweisung der AfD-Stimmen zu haben). Wenn man das konsequent durchzieht (und damit meine ich die Merkel/Polenz Position), bedeutet das, dass Thüringen unregierbar ist und bleibt, es sei denn, die Leute wählen solange neu, bis eine wünschenswerte Mehrheit zustande kommt.
Die Aufgabe der Demokraten (einschließlich der CDU) ist in der jetzigen Lage, ihre Position zur Linken neu zu klären, und die Linke sollte sich endlich mal der Tatsache stellen, dass sie immer noch ihre SED-Vergangenheit mit sich herumträgt, und deshalb für viele als genauso demokratiefeindlich gilt wie die AfD.