Über den Tag hinaus. Nach der Europawahl

Die Realität zieht im Elfenbeinturm Brüssel ein. Und das ist gut so. Europa hat viele Europäer nicht interessiert, dieser Wahlkampf, so meine These, hat Europa stärker ins Zentrum gerückt. Ein „Weiter So“ in Brüssel scheint kaum denkbar. Was dann?

Krise als Chance
Der eigentliche Vorlauf wachsender Europa-Aufmerksamkeit liegt in Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise. Noch ist die institutionelle Aufstellung Europas nicht gelernt, nicht vertraut, dennoch sehen die Menschen stärker hin.

Spitzenkandidaten, ja. Es fehlt nur noch die Botschaft
Martin Schulz ist sicher ein überzeugter Europäer. Noch mehr ist er ein überzeugter Schulz und ein langjähriger Europäer. So hatte Juncker recht, als er seinem populistisch auftretenden Gegner bescheinigte, Schulz müsse ja die Hinterzimmer, über die er immer wettere gut kennen, die Fernsehdiskussion wäre die erste Gelegenheit, in dem er, Juncker, ihm, Schulz an einem anderen Ort begegne als diesen dunkel beleumundeten Hinterzimmern. Die proeuropäischen Parteien müssen jetzt beginnen, ihre Europa-Konzepte auszubuchstabieren. Das bedeutet, das innerhalb ihrer Parteienfamilien zu tun, aber auch gegenüber den anderen Parteien.

Mehr Europäische Zivilgesellschaft
Europa hat sich, insbesondere im Verhältnis zur USA oftmals als zahnlos erwiesen, wenn es galt, Bürgerrechte und Privacy durchzusetzen. Das TTIP Abkommen wird jetzt zu einem weiteren Probelauf, ob sich Europa zu einer selbstbewußten Haltung entschließen kann oder weiter lamoriant und wie paralysiert agiert. Um der Kommission und dem Parlament Schwung zu geben, braucht es eine europäische Zivilgesellschaft, die ihre Rechte ernst nimmt. Die TTIP Vorteile sind derzeit nur vage beschrieben, die befürchteten Nachteile aber mit der Hand zu greifen, insbesondere die Aushebelung einer demokratischen Gesellschaftsverfassung durch quasipolitische (oder sollte man sagen antipolitische) Schiedsgerichte. Es gilt: Für eine stärkere europäische Zivilgesellschaft und ein stärkeres demokratisches Bewusstsein Europas müssen NSA und TTIP zusammen betrachtet werden. Bevor der Westen anderen Ländern Demokratie empfiehlt, sollte er mal im eigenen Haus aufräumen.

Europa ist vielfältig.
Wer die Wahlergebnisse betrachtet, sieht, dass jedes Land seine ganz eigene Dynamik hat. Die Vielfalt Europas konstruktiv und nicht nur als Hindernis zu begreifen, das bleibt die Aufgabe der kommenden Jahre. Konzeptionelle Lösungen bleiben gefragt. Vielfalt, Luft zum Atmen und ein notwendiges gemeinsames Handeln sind die Pole, aus denen heraus neue Konzepte entwickelt werden sollten. Und: Das Beispiel Frankreichs zeigt, dass auch in zentralistischen Ländern, die die ökonomische Realität leugnen möchte, in der Bevölkerung ein klares Gefühl dafür vorhanden ist, wie es nicht geht.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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