Warum sich manche Dinge doch zum Besseren wenden. Warum wir es nicht sehen. Und warum es trotzdem gut bleibt, skeptisch zu bleiben. Plädoyer für ein doppeltes Jein. Und den Spaß an einer differenziert-engagierten Auseinandersetzung.
An der Oberfläche betrachtet, wird alles schlechter: Nach Jahrzehnten grottenschlechter Planung wird Stuttgart 21 zum gesellschaftlichen Großempörungsthema. Und trotzdem stimmen die Mehrheit der Stuttgarter für einen nachgewiesenerweise sinnlosen, weil unterkapazitären Bahnhof. Die Welt geht aufgrund der Zockermentalität in der Finanzwirtschaft und Großunternehmen fast zugrunde und, so scheint es, niemand greift da mal endlich durch. Und auf der anderen Seite: Grüne und Gutmenschenauffassungen erobern die Welt, oberflächlich betrachtet, ergreifen der Repräsentanten der Vorstadt-Einfamilienhausbesitzer mit Bioladenabonement und SUV, vorzugsweise Volvo V90, die Macht. Gutmenschenauffassungen als herrschender Ausdruck der Politik. Und man tut CDU und CSU nichts falsches an, wenn man sagt, dass sie, im Falle Seehofers populistisch planlos, im Falle Merkel/von der Leyens, kühl kalkulierend, diesem Trend nachgehen.
Bloß nicht dem Zeitgeist widersprechen.
Das in einem Lande, in dem noch relativ rational Politik gemacht wird (wenn wir das mit Italien beispielsweise vergleichen). Also: Auf der politischen Bühne wird eine Unschuldsvermutung aufrecht erhalten, die tatsächlich nicht stimmen kann. In der Export- und Ingenieursnation Deutschland wächst eine Generation heran, die am liebsten NGO Vertreter oder Journalist werden will, um die Welt zu verändern. aber können diese die Welt nur interpretieren. Verändert wird sie von Bankern und ebenjenen Naturwissenschaftlern und Ingenieuren.
Dann noch die globalen Fragen: Jahrzehntelange Klimaverhandlungen, bei denen nichts herauskommt. Die USA bestreiten noch immer, dass es ein Klimaproblem gibt, mentale Talibane, denen die eigene Macht vor die mögliche Erkenntnisfähigkeit setzen. Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Und trotzdem: Es gibt Hoffnung. Man muss sich nur von seinen Wahrnehmungsschemen lösen und die halb unsichtbaren Prozesse ins Auge fassen: Auch wenn sie die Deutschen Solaruntnehmen weitgehend hingerichtet haben, China hat so viel Solarkapazität, dass es nur einer politischen Entscheidung braucht und China kann in die solare Zukunft starten. Dann kommt mehr raus als bei allen Klimaverhandlungen der Welt.
Oder wenn jetzt die Großstadtkids auf Führerschein und Auto verzichten (das tiefergelegte Macho-Türkenmilieu mal ausgenommen), eine Veränderung, die, ohne politischen Beschluss, mehr verändert, als viele wahrnehmen.
Es tut sich mehr als manche denken. Und trotzdem ist mir eine notorische Optimistenhaltung wie bei Dirk Maxeiner und Michael Miersch zuwider. Nicht, dass sie bezahlte Lobbyisten sind, nein, nur das Geschäftsmodell ist mir zu vordergründig, das aufgesetzte Lächeln zu künstlich, die Botschaft zu Plastik. Optimismus, bis er weh tut. Macht keinen Spaß.
Die Haltung des notorischen Skeptikers gefällt mir da schon besser. Wie viele, hatte ich mal eine (theoretisch) streng marxistische Phase. Und ganz marxistisch könnte ich mir jetzt sagen, die habe ich auf höherem Niveau verarbeitet. Irgendwann hatte ich Paul Feyerabend entdeckt, Erkenntnis für freie Menschen, das hat mir die Augen geöffnet, dass man die Dinge auch anders sehen kann. Wenn man sich die Freiheit nimmt, seine festgefahrenen Überzeugungen hinter sich zu lassen. Was ich bewahrt habe: meine marxistische Grundbildung, mit der man ökonomisch doch weiter kommt als viele ahnen. Die globalen Wirren der letzten Jahre konnte man damit jedenfalls ganz gut erklären.
Wenn ich mir die politischen Debatten, und dabei auch viele Ideen und Konzepte der Grünen betrachte, sehe ich: Zu viel aufgesetzter Instrumentalismus. Noch zu sehr fixiert auf die politische Welt, die Bühne Berlin, das begrenzte Instrumentarium des Umverteilungssozalismus, zu viel Reflex.
Und das bei allem Respekt. Die Grünen, das ist, weiterhin meine Überzeugung, die aufgeklärteste der Parteien. Weil, und das höre ich von vielen, die mit ihnen beruflich zu tun haben, weil sie zuhören, nachfragen und wirklich an Antworten interessiert sind. Ich denke mir ja, das ist die positive Seite der bürgerlichen Wurzeln dieser Partei, weil sie Politik, jedenfalls zumeist, in einem reflektierten Verhältnis zur eigenen Karriere betrachten können, jedenfalls zur Zeit. Da es doch einige gibt, die in der jungen Generation, über die Vorstufe NGO, dann doch ihre erste berufliche Karriere über die Grünen machen, schlummert hier ein strukturelles Mittelfristrisiko.
Ich hänge ja an dem Begriff „Reflexivität“, Reflexive Modernisierung in der Tradition Ulrich Becks. Für mich bedeutet der Begriff, sich eine Vorstellung davon zu erarbeiten, was zu tun ist. Und gleichzeitig zu reflektieren, worin Risiken und Gefahren liegen könnten. Nehmen wir das Beispiel EEG. Ja, es war gut, einen Vorrang für Investitionssicherheit zu schaffen, deshalb wurde Regenerative Energie auch so erfolgreich. Aber aktuell könnte die Energiewende daran scheitern, wenn sich die Befürworter Erneuerbarer Energien nur als Verteidiger des EEG begreifen und nicht wahrnehmen, dass sich über das Kostenrisiko, das ja ein 20 Jahre anhaltendes Kostenrisiko ist (das, bildlich also „unsere Kinder“ mit abtragen müssen), ein Mittelfristrisiko aufbaut. Die Fähigkeit, sich selbst zu korrigieren, wird also eine der hohen Künste der Politik werden, die Fähigkeit, über den eigenen Schützengraben auch verlassen zu können.
Für mich stellt sich die Frage, was von den Dingen, die notwendig sind, am wenigsten bewusst ist. Meine Antwort: Eine zivilgesellschaftliche Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft, also den Managern, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Wohlfühlern und Skeptikern, die sagen, ok, wir können und wollen in unserem Berufsalltag unsere Sonntagserkenntnisse, dass es nicht so weiter geht, nicht weiter ignorieren. Wir wissen, dass unsere Unternehmen Geld verdienen müssen. Aber wir wollen dem Druck der Kurzfristigkeit eine nachhaltige Perspektive entgegensetzen. Wir wollen als Unternehmer, Ingenieure, Wissenschaftler, die an Umsetzungen arbeiten, nicht immer nur die Dummies von Lobbycontrol, Transparency oder von Umwelt NGOs ein, wir wollen auch eine eigene, verantwortliche Stimme werden, eine, die gehört wird und werden kann.
Es fehlt an einer Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft, die zeigt, dass da Menschen sind, die Verantwortung übernehmen. Tagtäglich. Auch, wenn das nicht so sichtbar ist.
Und ein zweites: Jetzt, wo auf der politischen Bühne alle ihr Heil in der Vergesellschaftung suchen, also, Stadtwerke und Energienetze zurückkaufen und alles in politischer Selbstverantwortung selber machen, einen intelligenten Gegenpol zu setzen. Ein Ja zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung, die sich dem Gedanken der kreativen Zerstörung und des Wettbewerbs stellt und zwar nicht, wie Stiftung Marktwirtschaft und inzwischen auch INSM, um gebetsmühlenartig gegen „Linke“ und „Verstaatlichung“ mobil zu machen, und sei es nur für die Interessen einer Beinfreiheit für quasimonopole Großunternehmen, sondern im echten Ringen um die besseren Lösungen, auf dem Markt, und damit auch für unser Gesellschaftsmodell einer freiheitlichen und auf Zusammenhalt orientierten Gesellschaft.
Persönliche Verantwortung und ein Weltbild, das über die politische Bühne hinausblickt. That’s it!