Unwirkliche Wirklichkeiten. Alte und neue politische Welten.

Wir leben in Zeiten des Übergangs. Wir kommen aus einem Denken Nationaler Identitäten, Wahrnehmung und Identitäten. Gerade wir Deutschen leben aber von einer sich internationalisierenden Wirtschaft. Die heimliche politische Formel lautet, dass wir, Deutschland (und diese Denke weiten wir auch auf Europa aus) dann erfolgreich sind, wenn wir durch Innovation, neue Produkte und die Eroberung neuer Märkte Wertschöpfung erzeugen können. Diese Wertschöpfung kann Politik dann nutzen, um sozialen Ausgleich (oder was sie dafür hält) herzustellen.

Das Problem ist aber: In der politischen Debatte ist die Frage, ob wir tatsächlich innovativ sind, ob wir leistungsfähig genug sind, uns international zu behaupten (und ob man das auch für Europa sagen kann) völlig ausgeblendet. Es ist, als ob man beim Autokauf nur darüber diskutieren würde, ob das Auto schön ist, aber nicht, was es technisch leistet. 
Das ist nicht gut. Ich sage dann immer, wir leben in einer hybriden Welt: Unser Denken ist von nationalen Grenzen, der politischen Verantwortung, für das, was innerhalb dieser Grenzen passiert, bestimmt. In Wahrheit schnurrt diese Idee des Nationalen immer weiter zusammen. 
Wegen Weltmarkt, wegen internationalen Konflikten, Verhandlungen, wegen der globalen Bühne, die das Fernsehen jeden Abend bietet, wegen Europa, der Europäischen Union. 
Das alles führt dazu, dass Zeiträume für Entscheidungen verlängert werden, die Sachadäquanz von Lösungen immer schlechter wird (politische Kompromisse sind oftmals faule Kompromisse), die Unübersichtlichkeit zunimmt. 
Welche Aufgabe hat da eigentlich Politik? Und wie kann sie dieser Aufgabe gerecht werden?
Heinz Bude hat in der Berliner Zeitung die emotionale Lage beschrieben, in der sich viele Menschen befinden. Er sagt, dass sich inzwschen zwei Stimmungslager gegenüberstehen: Diejenigen, die sich in Weltuntergangsstimmung befinden und jetzt keine politische Heimat mehr finden. Und die Entdramatisierer, die in ihren Reden suggerieren, als gäbe es kein Problem. 
Und er führt an, dass nur zwei Personen diese Kluft gut schließen können: Winfried Kretschmann und Frank-Walter Steinmaier. Den beiden würde es gelingen, den Beziehungsaspekt in der politschen Öffentlichkeit als den dominanten Faktor anzusprechen. Richtig ist, dass es erst zu einer emotionalen Entspannung kommen muss, bevor über Lösungen und Wege geredet werden kann. 
Der Gedanke ist richtig. Aber er springt meines Erachtens dann doch zu kurz. Gute Politik bedeutet nämlich, nicht nur die richtige Stimmung beim Publikum zu treffen, sondern die Gesellschaft im Umbruch zu Beteiligten und nicht zu Versorgten zu machen. 
Ich weiß, dass das schwierig ist. Es gibt in Zeiten der Globalisierung Globalisierungsverlierer. Die Politik kann und sollte also ihr Handlungsfeld neu beleuchten, das darin besteht, dass der Prozess der Öffnung gestaltbar ist, aber nicht umkehrbar. Es kommt also auf die richtige Wahrnehmung von Themen an, die die Menschen aktuell beschäftigt (Neudeutsch: Issuemanagement) und die richtige „Erzählung“. Das wird wahrgenommen. Aber dauerhaft wird diese neue Erzählung nur dann stabil sein, wenn das Weltbild der politisch Handelnden die neuen Prioritäten reflektiert. Sonst werden sie nämlich, siehe Gabriel, als sprunghaft wahrgenommen. 
Was Politik verstehen muss, und das trifft besonders linke, konzeptionelle Politik, dass in Zeiten der Unsicherheit nicht mehr die finalen Transformationskonzepte gefragt sind. Die glaubt sowieso keiner. Und die lassen sich auch nicht so umsetzen. Es kommt eher auf eine richtige Orientierung an und die richtigen Prioritäten. Es geht also nicht nur um den ideologischen Grundentwurf, ob ökologische, soziale, liberale oder konservative Politik, sondern darum, mit welcher Haltung, mit welchen Begriffen, mit welcher Ausstahlung Politiker welche Menschen gewinnen können. Sehr diffus also das Ganze, weil eben die Frage, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz zu sein, wichtiger wird. 
Politische Parteien sollten sich also weniger darauf konzentieren, Endzeitkonzepte auszuarbeiten, sondern sollten eine „Zwei-Ebenen-Strategie“ berücksichtigen: 
Die eine ist, sich intern zu verständigen, in welchen Themen man konzeptionell gut aufgestellt ist und ob diese Konzepte gut funktionieren würden. 
Die andere ist, was man mit welcher Haltung nach vorne stellt.
Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass Politik herschaftsfreie und sachliche Erörterung verschiedener Lösungswege ist. Politik ist hochemotional, weil sie gerade mit Sinnfragen und einer Zuweisung von Lebenschancen handelt. 
Es geht also darum, in hochemotionalen Zeiten neue Bindungen, Vertrauen entstehen zu lassen. Und dann, wenn man die politische Verantwortung übernimmt, auch zu wissen, was man tatsächlich machen kann. Es geht um Führung. 

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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