Verstehen kann man das nicht. Vier Wochen GroKo

Die Politik ist zu sehr gefangen in ihrer eigenen Sphäre. Gut ist das nicht.

Wir haben eine große Koalition. Dagegen spricht nichts, weil Sozialdemokraten regieren können. Schon mal ein Unterschied zu vorher. Dass sie aber davon getrieben sind, in den ersten hundert Tagen ständig neue Gesetze zu machen und neue, zum Teil über den Koalitionsvertrag hinausgehende Initiativen voranzutreiben; – das versteht der Herrgott.

Die CDU hingegen hält, sieht man von von der Leyen ab, den Ball flach. Ein bißchen hat man den Eindruck, es reicht ihnen zu regieren. Was da regiert wird, tangiert sich weniger. Die Zahl der parlamentarischen Staatssekretäre hat ja auch zugenommen. Parlamentarischer Staatssekretär: Gleiches Einkommen, keine Verantwortung.

Die Grünen haben sich ja scheinbar schnell berappelt. Zumindest ist das Angebot, die Energiewende mitzutragen, ist sinnvoll. Man wird abwarten müssen, ob es tragfähig ist. Und ob auch der Vorschlag des Gabriel Ministeriums tragfähig ist. Und ob das schon eine Zukunftsperspektive abgibt, steht in den Sternen.

Selbstbezüglichkeit, das könnte schon eine treffende Überschrift über das sein, was politisch läuft. Und die Selbstbezüglichkeit führt deswegen in eine falsche Richtung, weil Politiker immer noch ganz überzeugt davon sind, was sie alles bewegen können. Sie fragen aber nicht, was das in der Gesellschaft auflöst, verzichten auf eine Kosten-Nutzen-Analyse.

Die Gabriel’sche Energiewende will beim EEG der öffentlichen Meinung nachgeben und die Einspeisungsvergütungen absenken. Dagegen kann man gar nichts sagen, nur, dass das irgendwie nur eine halbe Reform ist. Da wird keiner draus schlau. Denn erst braucht man ein Gesamtbild, und da gehört das Thema Netzausbau und Gesamtkapazität dazu, erst dann kann man sich an die Reform der Einzelstücke machen.

Man sieht bei der EEG Reform noch etwas anderes: Wortbruch. Gegenüber den Einspeisevergütungen hält man an einem Bestandsschutz fest. Bei den Eigenerzeugern nicht. Das hat was sehr liederliches an sich. Schließlich ist es legitim, als Unternehmen zu entscheiden, dass man dem Hin und Her der Politik nicht traut und deshalb plant und rechnet;- im Sinne der Rechtssicherheit müsste da jemand klagen. Es geht um die Durchsetzung von Rechten der Gesellschaft gegenüber der Politik.

Insgesamt das eine Regierung des Weiter So. In Sachen Renten noch mal schnell Geld ausgeben (und es sich durch die Hintertür wieder zurück holen). Dann macht jedes Ministerium so seine Politik, als ob es einen Wettbewerb der Minister geben würde, wer am meisten in der Zeitung steht. Das sitzt dem falschen Glauben auf, die Menschen würden darauf warten, dass die Politik ständig was macht. Tun sie aber nicht.

Hoffnung gibt der Bereich Europa-, Sicherheits- und Außenpolitik, der einzige Bereich, in dem Politik heute tatsächlich zukunftsentscheidend aktiv ist. Da zahlt sich Professionalität aus, sicher wird es da Spannungen zwischen Merkel und Steinmeier und Schäuble geben, substanziell dürften sie aber nicht so weit entfernt sein. Es geht darum, dass jedes der europäischen Länder stärker wird. Wenn man den Eindruck hat, dass die jeweilige nationale politische Elite Verantwortung übernimmt, erst dann kann man weiter Geld geben. Im anderen Falle ist Solidarität auch einfach Dummheit, Aufforderung, weiter so zu machen. Die Ironie dabei ist, dass das „weiter so“ ja auch in Deutschland praktiziert wird. Das ist die Schieflage in der Debatte. Die deutsche Regierung fordert von anderen, was sie selbst nicht leistet, den Menschen zu erklären, dass die Party vorbei ist, nein besser, zu erklären, dass wir uns in einem ständigen Chance-Prozess befinden. Unsere Gesellschaft muss um ihre Wettbewerbsfähigkeit kämpfen UND um den sozialen Zusammenhalt. Nur Politiker schaffen es, daraus einen Gegensatz zu machen.

Das ist, was mir an der Politik am meisten fehlt: Ein Gesamtbild. Dass Politik in den wichtigen Fragen erklärt, wo es lang geht. Dass sie mobilisiert, den Unternehmen, Menschen, Bürgerinnen und Bürgern sagt, dass wir vor dem Wechsel keine Angst haben müssen, wir stehen gut da, aber dass wir immer im Auge behalten müssen, wie sich die Dinge verschieben.

Die größte Schwäche? Ganz klar, der Umgang mit dem NSA-Skandal und demokratischen Grundrechten im Internet. Da sind alle ratlos, die Opposition vollmundig, die Regierung kleinmütig. Haltung sieht anders aus. Ich halte das für ein ganz großes Thema, schließlich geht es darum, wie ob die führenden Demokraten die Demokratie ernst nehmen. Und da kommt mir der Vorstoß des Bundespräsidenten und von der Leyen zu passe. Kampffähigkeit der Bundeswehr, schön und gut. Sicher richtig. Aber hätte jemand mal die Güte, darüber nachzudenken, welches Desaster der Westen mit seinen Kampfeinsätzen, dem Hüh und Hott, eigentlich einrichtet. Hat tatsächlich irgend jemand den Eindruck, dass Afghanistan jetzt sicherer ist? Gibt es eine Debatte darüber, ob und wie der Westen, der seine Werte vor den Augen der Weltöffentlichkeit in den Orkus wirft, künftige Kriege im Namen der Freiheit führen soll. Und: Was geht eigentlich in einem Soldaten vor, der sich diese laue Gerede ohne Risiko anhört und immer denken muss, das sind diejenigen, die darüber entscheiden, wenn ich meinen Kopf hinhalte.

Ja, verstehen kann der das dann nicht. Sollte er aber. Politik, hinhören!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

Schreiben Sie einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie mehr darüber, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden .