Vorbemerkung: Ich halte das Anwachsen rechtspopulistischer bis hin zu rechtsradikaler Strömungen, Denkungsweisen und Parteien für bedauernswert und gefährlich. Aber die Frage, wie man dieses Anwachsen stoppen kann, halte ich für weiterhin ungelöst.
Brandmauer verhindert Problemlösung
Zum Thema: Ich beobachte, dass bei vielen Linken, Grünen und Sozialdemokraten die Brandmauer dazu genutzt wird, um einer inhaltlichen Auseinandersetzung ausweichen, sie tabuisieren zu können. Das zeigt sich schon an den Demos, bei denen man die CDU nicht einlädt, sondern sie stattdessen mit der AfD in einen Topf haut. Auch ich war bei der ersten Demo, ich fand das als ein Zeichen wichtig, aber die fortgesetzten Demos “gegen Rechts” sind linke Folklore, bei denen man sich versichert, auf der richtigen Seite zu stehen. Und dann wieder heimgeht und “die Anderen” für Idioten hält.
Migration hat Folgen im Alltagsleben aller Bürgerinnen und Bürger
Tatsächlich prosperiert die AfD insbesondere durch das Thema ungesteuerte Migration mit all ihren Folgewirkungen: Der Überlastung der Kommunen, der Schulen, der Sportplätze. Der zusätzlichen Belastungen auf dem Wohnungsmarkt, dem Ärger, wenn sie migrantisch aussehende Menschen mit Top Kinderwagen flanieren sehen. Das alles vor dem Hintergrund der schwachen Wirtschaftsentwicklung, der bei vielen Streß und Sorge auslöst.
Diese Probleme und Zusammenhänge werden von “der Linken” weitgehend ignoriert. Oder sie sollen als pauschal migrationsfeindlich “vergröbert” werden.
Wer Alltagswahrnehmungen nicht wahrnimmt, verliert
Was mich besonders ärgert, ist, dass “die Linke” ignoriert, dass mehr und mehr Menschen diese ungesteuerte Migration für ein Problem hält. Dass sie nicht selbstkritisch darüber reflektiert, dass die Prozesse, die mit einer europaweiten Regelung verbunden sind, insbesondere das GEAS, einfach zu spät kommt und, wenn sie erst jetzt 2026 zur Geltung kommen, nochmal zu spät kommen.
Bürgerzorn über nicht wirksame Migrationspolitik
Was auf ein grundsätzliches Problem verweist: Politische Maßnahmen “versenden” sich, verläppern, bis Bürgerinnen und Bürger, die zwar zur Wahl gehen, aber sonst kein Interesse an Politik haben, die Zusammenhänge nicht mehr wahrnehmen können, die komplizierten und sich blockierenden Prozesse nicht mehr nachvollziehen können und wollen. Trump hat das verstanden. Deswegen inszeniert er Maßnahmen. Das wertet diese auf.
Man kann das als Populismus bezeichnen. Das ist es sicher auch, zumindest wenn man auf Merz’schen Ausfallschritt blickt. (Wobei ich meine, Merz wollte damit nur dem Szenario vorgreifen, dass die AfD den CDU Antrag aus dem Ausschuss ins Plenum einbringt und die CDU dann ihren eigenen Antrag ablehnen müsste). Substanziell hatte dieser Entschließungsantrag nur symbolischen Charakter.
Lösungen statt Narrative
Eine richtige Reaktion wäre gewesen, dass sich die “Parteien der Mitte” tatsächlich verständigen und ihre Verantwortung für “das Ganze” wahrnehmen. Also helfen, das Thema abräumen.
Linke von “Der Linken über SPD und Grüne” hängen aber an ihrer Framing, Agendasetting, Narrativebene fest. Die Quintessenz: Wer die “Erzählung” der Rechten überrnimmt, lenkt die Zustimmung auf deren Mühlen. Ich meine: Ja und Nein. Aber wenn man die “Erzählung” nicht übernehmen will, muss man der Ursache des AfD Auftriebs beseitigen: Und das bedeutet eben, dafür zu sorgen, dass Zurückweisung und Rückführung besser und schneller funktionieren. Wer das nicht tut, lenkt weiter Wasser auf die Mühlen auf die AfD.
Was 1933 nicht sagt
Insofern kann “die Linke” weiterhin darauf verweisen, dass die Nazis ihren Aufstieg deswegen machen konnten, weil es eben keine Brandmauer gab. Aber das macht das Gegenteil noch lange nicht richtig: Die fehlende Brandmauer kann man anführen, weil sie nichts genutzt hat. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass eine Brandmauer zu anderen Ergebnissen geführt hätte. Unter dem Strich kann man in einer Demokratie die Demokratie nicht vor ihren Bürgern schützen.
Vertrauen zurückgewinnen. Und Klimapolitik neu ausrichten.
Meine persönliche Schlußfolgerung: Das Thema Klima kommt aktuell tatsächlich “unter die Räder”. Bedeutet: Das grüne “Framing”, bei dem das Klima und eine sozialverträgliche Klimapolitik eine zentrale Rolle spielt, hat seine Dominanz verwirkt. Bei strittigen Fragen ist das Ringen ums Framing wichtig. Allerdings: Ein Framing kann man nicht durchsetzen, wenn eine wachsende Mehrheit die Prioritäten anders setzt. Zudem hat das grüne Framing zwei weitere Probleme: Die deutschen klimapolitischen “Fleißaufgaben”, also das Ziel, schneller als die EU zu sein, ist Blödsinn, weil dadurch im Zertifikatshandel andere Emittenten billiger Zertifikate erhalten. Uns kommt es aber zu teuer. Zudem ist grüne Klimapolitik ein Opfer ihres (latenten) antikapitalistischen Weltbilds. Sie denkt, da nehme ich auch Robert Habeck nicht aus, zu sehr auf administrativ gesteuerte Förderprogramme. Die Folge: Auch unternehmerische Entscheidungen laufen durch den und die Filter politischer Genehmigungsprozesse. Das führt zu Verzögerungen und Ausblendungen neuer, noch nicht politisch bewerteter “Lösungsstrategien”. Damit raubt die Politik der freien Gesellschaft mit freiem Unternehmertum ihre kreative Kraft.
Das ist fatal.
Wir, also alle, die wir an politischen Debatten beteiligt sind, sollten uns darauf besinnen, dass Parteien nicht nur ihrer Partei und ihrer Weltauffassung, sondern der Problemwahrnehmungs- und Lösungskompetenz “des politischen Systems” verpflichtet ist. Die lautet: Alle sind dafür verantwortlich, wenn nur die Narrative der Parteien aufrecht erhalten bleiben, aber eben keine wirksamen Lösungen produziert. In einer Zeit, in der Dreier- und Viererkoalitionen möglich scheinen, wäre es dringend notwendig, wenn wir lernen würden, Regierungsprogramme und Koalitionsvereinbarungen als Arbeitsprogramme für vier Jahre zu betrachten. Und den ganzen ideologischen Überbau in den Müll zu schmeißen. Die Welt wartet nicht darauf, bis deutsche Parteien ihre Weltwahrnehmung angepasst haben (KI, Datenschutz, Systemkonkurrenz, Russlands imperialistisches Gehabe, Chinas Selbstbewußtsein, Erosion aller Gesellschaften des Westens).
Das wäre dringend notwendig. Und um noch etwas nachzuschieben: Die Links Rechts Polarisierung wurde schon längst durch eine Oben Unten Wahrnehmung ersetzt. Die definiert sich kulturell, regional und berufsspezifisch. Aber das ist ein anderes Thema.
Lieber Nikolaus, bemerkenswerter Beitrag. Es ist nah an meiner Denke und auch ein Grund, warum ich mein Parteibuch abgelegt habe und mir die aktuelle Situation lieber aus der Metaebene anschaue, verfolge und kommentiere. Lg Harald