Warum ich mir Jens Spahn als CDU Spitze wünsche

Es gibt ein No Go: Sich als Mitglied einer anderen Partei zu innerparteilichen Fragen des Gegners äußern. Trotzdem, ich habe ja keine Funktion, warum, aus Sicht Deutschlands, Jens Spahn der einzige Kandidat mit Zukunft ist. Ein Plädoyer. 

Die meisten Menschen, mit denen ich rede, halten Jens Spahn für den falschen. Zu hoch gerecktes Kinn, zu eitel, zu karrieristisch. 

Alles Oberfläche. 

Man sollte sich mal damit beschäftigen, was er sagt. Und was er macht. 

Zuerst: Was sind Kanzler-Kriterien?

Die Frage, wer eine Partei und dann auch ein Land führen kann, definiert sich über verschiedene Kriterien: 

  • Wo steht das Land?
  • Was ist das dringendste Problem, das dieses Land überwinden muss?
  • Wo steht die Partei?
  • Was muss die Partei am stärksten korrigieren?
  • Und in welcher Konstellation kann das gelingen. 

Wo steht Deutschland? 

Neunzehn Jahre mit Angela Merkel waren neunzehn Jahre geräuschloses, scheinbar unpolitisches Regieren. Das war, nach dem Ego von Schröder, Fischer und Schily dringend notwendig. Zuviel der Egos. Zudem hat Angela Merkel in Erbfolge von Kohl eine sehr außenpolitische Orientierung vefolgt und in einem ganz eigenen Stil (Saunabesuche mit Putin wären ja unpassend gewesen) erfolgreich fortgesetzt. 

Daneben hat sie die CDU aus dem westdeutschen Nachkriegsgestern geräuschlos ins Heute befördert. 

Dafür sollten wir ihr dankbar sein. Die Situation jetzt ähnelt ein bißchen der 2005, nachdem Schröder/Fischer in einem eiskalten Putsch aus der Regierung heraus die bleierne Zeit beendet und Deutschland ins Hier und Jetzt befördert haben. 

Neoliberalismus, da täuscht sich die Linke, sozialdemokratische und auch Teile der grünen Linken, ist nämlich keine Ideologie, sondern brutale Realität. 

Und tatsächlich geht es nur darum, wie das Land mit dieser neuen Realität umgeht. 

Mit der Flüchtlingsfrage ist diese neoliberale Verwerfung der Welt (wobei die Welt schon zuvor ungerecht war, die Ungerechtigkeit fand nur einfach unsichtbar und anderswo statt) in unserer Mitte angekommen: Der Westen, Europa und das laize faire Deutschland, via Medien auf den Afrikanischen Kontinent musste vielen dort, den Mutigen wie den Verzweifelten, wie eine Paradies-Verheißung vorkommen. Deutschland, bleiben wir bei uns, über Bündnis 90/Die Grünen hochmoralisch aufgeladen, hat sich in eine neue Humanität verrannt, die es ihr nicht erlaubt, aktiv und kommunikativ Grenzen zu ziehen. Menschenrechte sind diskursiv nicht verhandelbar, praktisch schon. 

Angela Merkel hat in einem Akt christlicher Menschenliebe und Verantwortungspragmatik die Bilder der Flüchtenden aus der (medialen) Welt schaffen wollen. 

Nur: Sie leidet heute noch an den kommunikativen Spätfolgen, obwohl sie bereits am Tag nach der Öffnungsentscheidung alles dafür getan, die Abschottung wiederherzustellen, nur halt unsichtbar. Das beste Beispiel: Der Erdogan-Deal. 

Neben der globalen Herausforderung Flüchtlinge standen noch andere Themen auf der Tagesordnung: Europa, die neue Weltordnung mit China und den fremder werdenden USA als Wettbewerber, weiterhin das Klimathema. Und die Herausforderung Digitalisierung. 

Unter Angela Merkel wurde jedes Thema bis zu seiner faktischen Unwirksamkeit zum Kompromiss verhandelt. Auch deswegen entstand die AfD.

Wer Angela Merkel zuhört, weiß, dass sie über alle diese Themen jederzeit „state of the art“ reden kann (da ist ist anders als Kohl in seiner Endzeit). Nur, das Regierungshandeln ist nur semantisch auf der Höhe der Zeit: Jedes Thema wird bis zu seiner faktischen Unwirksamkeit zum Kompromiss verhandelt. 

Das spüren die Menschen. Und deswegen entstand die AfD. 

Was Deutschland braucht, ist ein Kanzler(Kandidat), der kommunikativ führen kann.  

Und damit sind wir bei der Frage, was Deutschland am dringendsten braucht. 

Was muss Deutschland angehen? 

Es gibt wieder eine Lähmung im Land. Und an dieser Lähmung, wir Grünen sollten da ehrlich sein, haben auch wir unseren (ungewollten) Anteil: 

Inzwischen glaubt fast die gesamte bürgerliche Mitte Deutschlands, dass die großen Probleme nur noch gelöst werden, wenn sie die Politik drum kümmert. 

Und das ist falsch. Politik kann Themen aufgreifen, Agenden setzen. Aber Probleme lösen, das kann sie, jedenfalls in der aktuellen, umfragenängstlichen Situation, nicht. Alles kommt auf den politischen Tisch. Und da wird es zwischen den Parteien, zwischen den Ebenen, also kommunal, föderal und europäisch verschleppt, zerrieben und zerredet. 

Aber es ändert sich nichts.

Führung = Kommunikation + Handeln

Deswegen meine These: Jetzt, da es die Grünen geschafft haben, das Außen- und Klimafrage, die Globalisierung, aber auch die Herausforderungen der Digitalisierung zu benennen, braucht es eine politische Führung in Deutschland, die dieses Problem kommunikativ und auch instrumentell angehen kann.

Wo eigentlich steht die CDU?

Die CDU steht im kommunikativen Niemandsland. Die CDU ist ein Kanzlerwahlverein. Das unausgesprochene Leitbild war bisher, wir wollen wieder die nivellierte Mittelstandsgesellschaft, das „Wohlstand für alle“-Versprechen Ludwig Erhards, das Nachkriegs-Westdeutschland wieder haben. Diesen gefühlten Konsens hat Merkel zerschossen, die CDU ins Jetzt katapultiert, aber der CDU ihre „West-Volkspartei“ Identität geraubt. Sind wir ehrlich: Die meisten der Ost-CDU Wähler wollten auch einfach das Wohlstandsmodell des Westens, das „Blühende Landschafts“-Versprechen, übernehmen. 

Deswegen: Merkel hat die CDU gesamtdeutsch gemacht. Aber damit auch die Selbstgewissheit der West-CDU zerstört. (Der Andenpakt hat ja gezeigt, dass die CDU-Jungs einfach keine Eier mehr haben). Nicht reden, sondern tun!

Die CDU ist in ihrem Inneren ist unwiderruflich zerstört. Reflektiert betrachtet wäre die Wiederentdeckung (und nicht nur die semantische Inanspruchnahme) der Marktwirtschaft der USP der CDU. Aber leider hat die Kanzlerin und ihre Gefolgschaft, die Sozialdemokratin von der Leyen, der Strippenzieher Pofalla und der Saarländer Altmaier allen voran, die CDU auf Roundtable, Entmachtung von Märkten und semantischer Aufrüstung von Themengipfeln gebracht. Ok, die Konstruktion der großen Koalition hat auch ihren Beitrag geleistet, dass die CDU sozialdemokratisiert und damit in den Abwärtsstrudel gezogen wurde. 

Der Wirtschaftsrat der CDU ist inzwischen eine Minderheitsveranstaltung. Und wer die Stiftung Marktwirtschaft und die Ludwig Erhard Stiftung in ihrem Tun betrachtet, stellt fest: Mehr vom Gestern, mehr von marginalisierter Selbstgerechtigkeit. 

Gute Nacht, Freunde. Wer aus der Wirtschaft über Zukunft reden will, tut es lieber mit den Grünen. 

Was die CDU zuvorderst tun muss

Es geht um die Selbsterweckung der CDU. Ein bißchen Münchhausen. Oder, ein bißchen Kurz. Sebastian Kurz. Meine ich ernst. 

Eine Kurz-Einordnung: Viel Wille, viel kommunikative Kompetenz, ich verweise auf die Interviews in Steingarts Morning Briefing. Der Mut, die Dinge so zu machen, wie er will. Und die Umstände so zu nehmen, wie sie kommen. 

Seien wir ehrlich: Für die meisten linksliberalen war Kurz ein echter Kotzbrocken. Eitel, dann noch mit den Dumpfbacken der FPÖ koaliert, der Mann war von Vielen schon abgeschrieben. 

Und jetzt sitzt er mit den Grünen im Boot. 

Böswillig: So viel Opportunismus. 

Gutwillig: Verantwortungsethik. Und ob bös- oder gutwillig gewinnt, das entscheidet sich nicht in feuilletonistischen Debatten, sondern in der Wirklichkeit. 

Ein Kanzler von morgen muss die Welt kommunikativ und instrumentell beherrschen.

Der Wahltag ist kein Zahltag. Sondern nur die Zwischenstation

Die Frage des Kanzlerkandidaten der CDU ist nicht eine Frage, wer die Wahl gewinnen kann. Sondern, wer nach gewonnener Wahl auch das Land führen kann. 

Nach Lage der Dinge kann das nur mit den Grünen, vielleicht noch in Ergänzung mit der Liberalen geschehen. 

Die Grünen bilden die Mitte der Wissensgesellschaft, sie sind die einzigen, die über ihre Moralität das sinn- und identitätsbildende Momentum Deutschlands stiften können. Aber an die Frage, ob sie das Land auch erfolgreich, also in der richtigen Abwägung von Moralität und notwendigen Anpassungen an die neoliberale Wirklichkeit führen können, können wir noch einige Fragezeichen machen. 

Sie sind auf einem guten Weg, sie haben instrumentell und kommunikativ das richtige Führungspersonal zur richtigen Zeit; – wenn sie das passende Korrektiv dazu haben: Die CDU. 

Schwarzgrün oder Grünschwarz kann, richtig gemacht, eine Art Zugewinnsgemeinschaft sein: Die Grünen lernen, aus dem Himmel konzeptioneller Ideen herabzusteigen und die nächsten notwendigen Dinge zu tun. Und die CDU lernt, nicht nur einfach „weniger“ oder „weiter so“ zu wollen, sondern ihre Idee, wie das Deutschland der Zukunft werden kann (denn eines ist klar, es wird ein anderes sein) zu formulieren: Nüchtern: Deutschland, Europa, müssen kompetitiver, als weniger politisch und konsensuell, mehr wettbewerblich werden. Und gleichzeitig die innere Balance nicht aus dem Auge zu verlieren und in der Klimafrage HANDELNDES VORBILD zu werden. 

Das bedeutet, gleichzeitig ein neues Bild von Deutschland in der Welt zu zeichnen UND die richtigen Maßnahmen dafür zu ergreifen. 

Wenn schon Männerwirtschaft, dann richtig. 

Kommen wir wieder zur Ausgangsfrage zurück: Warum Jens Spahn? 

Friedrich März

ist der Kandidat für diejenigen, die sich mal wieder krachende wirtschaftstliberale Ansagen erwarten. So eine Art Andenpakt-Nachbildung. 

Womit wir schon bei der Antwort wären: Er hat Sprüche, aber keine Eier. Sein Weltbild, insbesondere in Richtung Geschlechterverhältnis, das ist von Gestern. Er hat immer nur geredet, nie gehandelt. Er ist einfach auch von Gestern! Und März und Grüne? Kann selbst ich mir nicht vorstellen. 

Armin Laschet

ist der Schleicher. In vielen Dingen eine Art Merkel in männlich. Er tut nichts falsches, aber am liebsten redet er nicht. Er handelt auch erst dann, wenn er dazu gezwungen ist. 

Aber nach der Merkel ist nicht vor der Merkel. Zu sehr Produkt der Verhältnisse, denen er erwachsen ist. 

Deswegen

Jens Spahn

Es gab mal ein sehr ausführliches Süddeutsche Portrait von ihm, das seinen Weg in jungen Jahren beschrieben hat. Münster, Provinz, katholisch. Und der schwule Jens Spahn, der immer wollte. Kampfkandidaturen zeichnen seinen Weg, das ist Politik. Aber in den letzten Jahren hat er begriffen, dass er (die Parallelen zu Söder sind mit der Hand zu greifen) auch zeigen muss, regieren zu können. 

Auch wenn man nicht mit allen seinen Entscheidungen überein stimmt: Kann er. So viel Gesetzgebung war nie. So viel „modernes Herangehen“ war nicht. So viel Bereitschaft zum Dialog, wenn es ein muss, zur Auseinandersetzung, war nie. 

Er ist der Einzige für eine CDU, die Deutschland in die Zukunft führt. 

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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