Schwer zu fassen. Habe gerade Kaplan/Norton, Strategy Maps gelesen. In der Hoffnung darauf, dass das hohe Maß an Ungewissheit, das die Politik ausmacht, mittels eines unscharfen Instrumentes, „Strategy Maps“ planbar werden würde. Ist aber nicht. Es ist der Versuch, die Balanced Scorecard“ Idee handhabbarer zu machen. Balanced Scorecards, der gute Versuch, Erfolg durch ein Faktorenbündel (Kundenperspektive, Finanzperspektive, Prozessperspektive und Potentialperspektive) zu definieren und mit Maßzahlen zu versehen. Nur: Wenn die Jagd nach Maßzahlen, die Schul- und Hochschulreformen sind da ein beredtes Beispiel, die Vermittlung von Inhalten ersetzt, gerät das ganze außer Kontrolle. Und Maßzahlen für politischen Erfolg sind tatsächlich schwer zu definieren.
Der Design Thinking Ansatz gefällt mir da schon viel besser. Es geht vom schwierigsten aller Fälle, der allerdings inzwischen der Normalfall ist, aus, nämlich dem, dass man neue Lösungen entwickeln und natürlich auch erproben muss. Kreativität und Experimente mit eingeschränktem Risiko lauten da die Schlüsselbegriffe, bevor ein System alle glücklich machen soll.
Der politische Prozess, Wetterlage, Aufstellung der Kontrahenten und Verfasstheit des politischen Gesamtsystems (Kontroverse vs. Konsens) sind dabei aber noch nicht eingepreist. Und, by the way, für alle, die Partizipation für einen Königsweg halten: Ist er nicht. Der Partizipationswunsch artikuliert die Unverständnis des politischen Prozesses, Unmut kommt schnell zur Stell‘, aber Einbindung in Planung, das machen dann nur wenige, manchmal, wenn es wichtige Themen sind, Gesinnungstäter, manchmal auch nur Querulanten, manchmal gelingt es damit, lokale (partiale) Widesprüche zu entkräften, manchmal befördert man das Ganze aber auch, einfacher, so viel ist sicher, wird es dadurch nicht. Partizipation gelingt nur, wenn Politiker dabei Haltung zeigen. Damit riskieren sie aber auch, dass sie abgewählt werden würden. Und wer will das schon. Es geht ja auch um Einkommen und Karriere.
Politische Planung und die Rolle der Politik lässt sich ja an zwei Themen besonders gut studieren: Einmal der Gesundheitspolitik, denn da ist alles Politik. Und alles Politik ist Geschäft. Und, ja auch das sollte man sagen, es wird geheuchelt, gelogen und auch gewünscht, dass sich die Balken biegen. Am Ende blickt keiner mehr durch, also machen alle weiter so, wie es ist. Im Gesundheitswesen geht alles nur langsam. Auch langsam weg vom eigentlichen Thema: Der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit von Menschen.
In der Energiepolitik fängt die Politik gerade erst an, Hand anzulegen. Das gemütliche Oligopol der großen Energieversorger, mit denen rotgrün noch einen ersten Atomausstieg vereinbaren konnte, kartellartige Verhältnisse, existieren nicht mehr. Auch die großen EVUs sind nicht mehr die Zampanos hinter den Kulissen, mit seiner Atomkampagne hat RWE Chef Jürgen Großmann noch einmal ein großes Feuerwerk inszeniert. Ein Pyrrussieg, bevor er selbst abgefackelt wurde.
Jetzt herrschen Wildwestverhältnisse, nachdem Angela Merkel die vier Großen angeschossen hat, weil sie mal über den Begriff Restrisiko nachgedacht hat. Die Energiewende, das zeichnet sich schon ab, das ist ein Vorhaben mit dreifacher Unsicherheit: Die Technologische Entwicklung, die organsatorische Verfasstheit (Wer spielt welche Rolle, die enthaupteten Großen, die Renaissance der Stadtwerke, die man wegen des großen politischen Einflusses ja mal privatisiert hat, die Bürgerenergiebetreiber, die Netzgesellschaften, ne, die sicher nicht, weil die sind privat organisierte Dienstleister). Die dritte Ebene , und die ist rückbezüglich, ist dann die regulatorische Ebene. Strombörse, Einspeisevorrang, Einspeisevergütung, Zertifikatshandel haben sich längst zu einem undurchschaubaren Dickicht entwickelt, das längst eigene Gesetzmäßigkeiten und Windfall Profits entwickelt. Jetzt soll da noch ein neuer „Markt“ dazu kommen, der Bereitstellungsmarkt. Na ja, oligopole Zuteilungen werden auch dann nicht zu Märkten, wenn man sie so nennt. Bin gespannt auf die Definition der Rahmenbedingungen für die Marktordnung.
Jedenfalls, die Diskussion ist unterkomplex, weil die ganze Komplexität ist ja dann auch noch populismusgefährdet. Wann kippt die Stimmung gegen eine Energiewende? Die Politik, auch die Energiewendepolitik tut gut daran, einen Fachdiskurs über die Steuerungsfähigkeit komplexer Prozesse zu beginnen und Flexibilität im Denken und Handeln zu üben. Das Einräumen von Fehlern, die eisenharte Korrektur von Fehlentwicklungen, Kritik und Haltung werden in viel höherem Maße notwendig werden als wir alle ahnen.
Ein Energiewende21 kann sich Deutschland nicht leisten.
Wer hat da mittelfristig interesse.
P.S. Schon mal „Das politische Gehirn“ von Drew Westen, edition unseld, gelesen. Wer mir dann noch sagen kann, wie er diesen Ansatz (der politische Anhänger blendet unliebsame Gedanken aus und das Ausblenden führt zu einer emotionalen Bestätigung der eigenen Ansicht), mit dem möchte ich gerne mal zu Abend essen.