In der Frankfurter am Sonntag (4.3.2010, Wirtschaft, S. 31) lese ich einen Beitrag von Georg Meck darüber, was Manager von Apple lernen können wollen. Es ist wie bei Obama. Man ahnt bereits dass eine Applemania die anderen Unternehmen nicht weiter bringen wird. Weil „die Produkte sexy zu machen“, zwar ein schöner Traum sind, aber nur ein Element der Apple-Strategie waren. Einige Überlegungen darüber, warum es falsch sein kann, Strategien zu übernehmen.
Zuerst: Man muss sich nicht nur mit dem Ergebnis, sondern auch mit dem Zustandekommen desselben beschäftigen. Das heißt: Apple war, als Steve Jobs wieder eingestiegen ist, ein schicker, aber alternder Zwerg, der sich vergeblich mühte, gegen Dominator Microsoft anzustinken. Als Restderivate blieben die Graphiker, die Mär von der leichteren Bedienbarkeit und das Image. Und schlechte Zahlen. Also alles auf Anfang.
Steve Jobs hatte einen Vorteil, den andere nicht haben. Nämlich eine fast uneingeschränkte Entscheidungsmacht. Jedes andere Unternehmen wäre an dem Umfang des Umkrempelns nämlich einfach kaputt gegangen. Neudeutsch: Die Stakeholder hätten das nicht akzeptiert. Die Kehrseite: Wäre Jobs mit seiner Strategie daneben gelegen, gäbe es das Unternehmen nicht mehr. So wie Psion, das kleine und stabile Klappcomputer hergestellt hat, von Nokia übernommen wurde, das daraus Symbian gemacht hat, dieses Betriebssystem, das vor allem gräßlich schlecht ist. Oder Palm, ein Unternehmen, das sehr funktionable Kleincomputer für die Hosentasche gemacht hat, dann in den Mobilfunkmarkt gegangen ist, sein Betriebssystem neu aufgestellt hat, ein mindestens vorzeigbares Ergebnis vorgelegt hat, das aber wohl mangels Masse scheitern wird. Ungerechtfertigtes Scheitern.
Warum es Jobs geschafft hat, hängt tatsächlich mit einer ganz persönlichen Bestleistung zusammen. Er hat Inspiration. Ich vermute mal, er ist mutig genug, Dinge neu zu denken.
Für diejenigen, die das nicht alles parat haben, zur Wiederholung. Als Steve Jobs gestartet ist, fand er ein erschöpftes Unternehmen vor, das vom Mythos des „funktionablen Betriebssystems“ gelebt hat, schicke, aber zu teure Computer gebaut hat, die sich mit ihrem Nischenprofil nicht weiter etablieren konnte.
Steve Jobs hat sich sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, wie der Markt von morgen aussieht (und zwar in Zeiträumen von 20 Jahren). Jobs kam 1997 wieder an Apples Spitze, nachdem er zuvor mit NEXT ein neues Betriebssystem entwickelt hat. Die gesamte Firma wurde von Apple 1995 aufgekauft und das Betriebssystem zur Basis der künftigen Entwicklung. Er brachte durch Pixar Animation Studio auch die Erfahrung auf anderen Märkten, den Inhaltemärkten mit. Und das wird in der Geschichte noch eine große Rolle spielen.
Also ist die Frage, die sich aus Apples Erfolg ableitet: Wie kann man in einem hoch flexiblen Markt mit einem objektiv zu kleinen Unternehmen erfolgreich sein? Antwort: Indem man Glück hat. Und nach einer Eingewöhnungsphase auch den richtigen Drive in die Spur bringt.
Wer die Abfolge Apples Betriebssysteme in den Neunzigern kennt, weiß, wovon ich spreche: Es sah nicht nach Erfolg aus. Und zwar eine Ganze Weile. Der Schmusekurs mit Microsoft beispielsweise kam damals bei der Fangemeinde nicht gut an. Ähnlich die Frage, die Motorola-Prozessorfrage zu eleminieren. Frontbegradigungen waren auch eines der Erfolgsrezepte von Steve Jobs, wenn es darauf ankam. Vor unbeliebten Entscheidungen hat Jobs nie zurück geschreckt. Die Frage der Kompatibilität mit Intel und die Entspannung an der Microsoft-Front hat sicher dazu beigetragen, dem Unternehmen die Luft zum Atmen zu geben, die es braucht. Also: Es war nicht nur das Design, das Apple so sexy gemacht hat. sondern auch die Hausaufgaben an den unsichtbaren Fronten, die es tatsächlich erledigt hat.
Der eigentliche Coup war aus meiner Sicht aber, dass es Jobs geschafft hat, die Veränderungen der Marktverhältnisse richtig abzuschätzen. These: Es wusste, das Unternehmensgeschäft als isoliertes Geschäft ist für ihn verloren. Aber er hat die Digitalisierung des Inhaltmarktes am Horizont erkennen können. Deshalb hat er mit dem iPod einen neuen Consumermarkt geschaffen. Und für diesen Consumermarkt ist die einfache Nutzbarkeit ein extrem großes Asset, wie jedermann weiß, der, trotz Windows7, noch immer mit der Configuration von virtuellen Com-Ports und ähnlichem belästigt wird.
So wurde der Winzling iPod zum Trojanischen Pferd für Apple, in den Markt der Betriebssysteme einzubrechen. Weil sich für den Nutzer ja nicht erschließt, was in seinem Computer werkelt, sondern nur die Haptik und das Nutzer-Interface eine Rolle spielen. Und so hat Apple über den iPod auch seinen Markt neu definiert. Denn plötzlich ist es nicht mehr das Gerät, das im Mittelpunkt steht, sondern die Nutzbarkeit des Musikshops iStore. Und wieder hat der iStore ja viele Feinde. Weil es Apple durchgesetzt hat, einen proprietären Markt abzuschotten und zwar auf der Ebene des Nutzers durch einfache Benutzbarkeit, aber auf der Ebene der Geschäftsstrategie dadurch, dass es gelungen ist, den iStore als Vertriebsweg vor allen anderen in den Markt zu schicken. Und das Drohpotential auch richtig einzusetzen. Die Verhandlungen von Jobs mit den Musikverlagen waren alles andere als freundlich. Und auch, wenn es jetzt so erscheint, als wenn Jobs der Retter der Reste der Musikindustrie wäre, zu Beginn hatten sie ihn nicht so betrachtet. Denn dass Apple im Musikmarkt kontinuierlich mitverdient, war bis zum Ende stark umstritten. Und dass Jobs bei den Mobilfukanbietern auch mitverdienen will, ist noch immer umstritten. Die Veränderung der Revenue-Quellen ist auch so ein Thema, dem sich Jobs gerne annimmt.
An Frage der Freigabe von Lizenzrechten sieht man auch, dass eine Fähigkeit immer zur Apple-Strategie gehört haben: Flexibilität in der Nachjustierung von Verhandlungsergebnissen. Das war bei den Musikrechten so, das war zuvor beim Betriebssystem so.
Ein klares Bild von den Marktverhältnissen von übermorgen, eine definierte Rolle Apples in diesem Zukunftsmarkt sind also die eine Seite. Härte und Flexibilität in der Durchsetzung seiner Unternehmensziele auf der anderen Seite, das ist das Erfolgsrezept. Zum Thema Härte: Sie kann auch aktuell beobachtet werden, unter anderem in der Härte, mit der Apple jetzt, in einer Stärkephase gegenüber Mobilfunkanbietern oder gegenüber Apps-Anbietern auftritt.
Das Erfolgserezept Apples? Wir sehen, Produkte, die sexy sind, sind eher ein Resultat, als der Anfang einer Erfolgsstrategie. Schließlich hat die Designermarke Braun und andere gescheiterte Designermarkten ja vorgemacht, dass es leichter ist, in Schönheit zu sterben, als aus einer Designmarke ein erfolgreiches Wirtschaftsunternehmen zu machen.
Wenn Apple jetzt so strahlend da steht und auf den Zukunftsmärkten vor Microsoft liegt, dann deshalb, weil die innere Konstellation für die Markterschließung gestimmt hat. Jobs ist da ein starkes Pfund. Und wir werden sehen, ob es Jobs gelungen ist, die Unternehmensspitze so aufzustellen, dass sie auch in der Zeit nach ihm als System weiter erfolgreich agieren können. Und so zeigt sich: Aus der „sexy Marke“ Apple lässt sich selbst für Apple kein Erfolgsrezept ableiten. Sondern eher eine Agenda, welche die wichtigsten Herausforderungen sind, die das Unternehmen auf seinem weiteren Weg in die Zukunft nehmen muss. Und es wird sich zeigen, ob das Unternehmen fähig ist, diese Herausforderungen auch tatsächlich erfolgreich zu meistern.
P.S. Was ich damit eigentlich sagen will. Jedes Unternehmen, jede Institution hat eine individuelle Biographie, Stärken und Schwächen. Dessen muss sie sich bewußt sein, mit denen muß das Unternehmen umgehen. Es bringt einen zur Verzweiflung, wenn man sieht, wie viele Unternehmen in einer vordergründigen Nachahmung eine Strategie sehen. Gut gemeint, ist zumeist nicht gut gemacht. Und die Kurzatmigkeit, mit der Unternehmen heute geführt werden, sind die wesentliche Ursache für deren Erfolglosigkeit. Google, Apple und Microsoft sind Unternehmen, die ihren Börsenkurs entweder nicht ernst nehmen müssen (Google, das Unternehmen muss nur einem Kursverfall vorbeugen), oder die gezeigt haben, dass sie auch in der Krise den Kurs beibehalten. Das sollte man in DAX-Unternehmen, die höchstbezahlte Manager heuern und feuern, aber keine Vision vom Markt und dem Unternehmen haben, mal diskutieren. Aber die Jobhopper in den Aufsichtsräten, die ihren Erfolg in der Anzahl ihres Einflussses und nicht in dem Erfolg der von ihnen beaufsichtigten Unternehmen bemessen, wäre dieses Maß wohl zu selbstbezüglich. Reflexive Modernisierung. In den Chefetagen der meisten Unternehmen ist dieser Begriff in seiner Relevenz offensichtlich noch nicht deutlich geworden.