In der Berliner Zeitung vom 26.3.2010 finden sich zwei bemerkenswerte Beiträge. Das breite Panorama über die arabischen Großfamilien von Andreas Kopietz und Julia Haak sowie ein längst überfälliger Kommentar von Sabine Rennefantz zu den Rahmenbedingungen der Sozialindustie. Eine Großaufnahme vor dem Beginn einer Integrationsoffensive der Mehrheitsdeutschen für ihre Minderheiten.
Mit den arabischen Großfamilien ist es eigentlich ganz einfach. Der Beitrag beschreibt, wie durch mangelnde Entscheidungen der Politik bei überwiegend politischen Flüchtlingen eine Perspektivlosigkeit entstanden ist, in die die junge Generation hinein geboren ist. Wie sich traditionelle familiare Strukturen aufrecht erhalten haben (Priorität des Ordnungssystems Familie vor dem Staat), die zu einer Etablierung (aus westlicher Sicht) vormoderner Wertesysteme in einer postmodernen Gesellschaft geführt hat. Weil physische Gewalt immer noch ein Mittel ist, seine eigenen Interessen durchzusetzen, funktioniert das erst mal auch in Deutschland. Bis hin zu einem Raub an dem Berliner Pokerturnier. Der dann allerdings wieder daran scheitert, dass die Täter sich halt doch in traditionellen Milieus weiter bewegen, dem Druck nicht stand halten und sich in modernen Welten nicht unauffällig verhalten können. Was wiederum zur Beschäftigung der Meinungsmedien mit den arabischen Milieus führt. Was wiederum das Eigenverschulden der deutschen Gesellschaft an den durch nicht integrierten Flüchtlingen und Migranten sichtbar macht.
Soweit das Dilemma.
Jetzt ist das Schlamassel ja angerichtet. Was tun? Der Deutsche Sozialstaatsimpuls ist: Helfen. Die Bundespolitik, das heißt, die Politik, die weit genug davon weg ist, sich davon überzeugen zu müssen, was mit dem von ihr auf den Weg gebrachten Geld gemacht wird, legt neue, millionenschwere Programme auf. Um zu helfen, wie es heißt.
Es gibt gute Gründe dafür, anzunehmen, dass die Hilfe das Problem eher verstärkt, nicht reduziert. Der Kommentar Sabine Rennefanz macht auf dieses Dilemma dankenswerter weise aufmerksam. Er argumentiert zurecht, dass die Sozialindustrie eigentlich gar kein Interesse hat, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Denn dann würde sie sich ja überflüssig machen. Und daß die Sozialindustrie oftmals scheinheilig argumentiert. Weil zum Beispiel das Thema Maserati und Gewinnentnahmen bei der Treberhilfe ja wegen der Aufsicht schon vorher bekannt sein musste. Was aber nicht dazu geführt hat, dass die einschlägigen Machenschaften gestoppt wurden.
Zu den Schlussfolgerungen möchte ich Rennefantz wörtlich zitieren:
„Wenn ein Skandal auffliegt, reagiert die Politik immer sehr aufgeregt. Der Senat verspricht Besserung, will strengere Kontrollen, eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts, einen Transparenzkodex für Träger, gerechtere Bezahlung für Sozialarbeiter. Vielleicht bringen all die Zappeleien etwas. Aber das System selbst wird nicht infrage gestellt. Ungern wird diskutiert, ob es eine Abhängigkeit von staatlichen Hilfen gibt, ob die Sozialpolitik eher lähmt als befähigt. Die Armutsindustrie hat ja auch kein Interesse an der Abschaffung der Armut.“
Dem bleibt nichts hinzu zu fügen. Außer, dass jetzt eine neue Finanzierungswelle für gesellschaftliche Rettungssanitäter anläuft. Die für unsere Migranten. Und plötzlich, ich kenne da mehrere Geschichten, junge Menschen, die hier geboren, gut gebildet, mit solidem Elternhaus, aber einem Elternteil mit Migrationshintergrund aufwachsen und erst einmal völlig unverzagt in die Welt gehen, sich plötzlich aber per Einschulung als „Migrant“ zweitklassenbehandelt fühlen, spätestens dann sollten wir darüber nachdenken, ob viel helfen und wenig verstehen wirklich was nutzt.