Weder Christian Stöcker @ChrisStoecker noch Daniel Stelter @thinkBTO liegen richtig. 

Warum der Ideologievorwurf weniger erklärt als er denkt. 

Christian Stöcker hat in seiner wöchentlichen Spiegelkolumne den Bundesrechnungshof aufs Korn genommen. Sein Vorwurf: Ideologieverdacht. Daniel Stelter, Ökonom und von mir geschätzte nüchterne Stimme im aufgeladenen politischen Kosmos keilt zurück: “Was @ChrisStoecker hier jeden Sonntag verzapft, ist pure Propaganda.” Die Kontroverse ist ein gutes Beispiel dafür, dass der gegenseitige Vorwurf des Ideologieverdachts dazu führt, nachdenken zu verhindern. Stattdessen wird die argumentative Brandmauer hochgezogen. 

Ich komme aus dem grünen Stall. Ich denke “grün”, dachte ich immer. In jüngster Zeit, da geht es mir wie Precht, Lanz und Nuhr, allen dreien unterstelle ich langjährige, zumindest “heimliche” Zugehörigkeit zur “grün linksliberalen” kulturellen Tradition, entfremde ich mich diesem Denk- und Handlungsmilieu. Ich höre die Reden von Robert Habeck, den ich für den aufgeklärtesten der grünen Spitzenpolitiker halte. “Deutschland ist beim Klimaschutz erstmals auf Kurs und kann die Klimaziele 2030 erreichen.” meldete er nach Vorlage einer Modellrechnung des Umweltbundesamtes am 15.3.2024.

Auf der anderen Seite vernehme ich, auch als Kommentierung dieser Modellrechnung, dass die Emissionsrückgänge, die den Optimismus von Minister Habeck begründen, auch auf Energieimporten und einer schwächelnden Wirtschaft beruhen. Ein Zukunftsrezept ist das also nicht. Umgekehrt ist der von Stöcker erhobene Vorwurf, der Bundesrechnungshof-Chef wäre ideologisch, vielleicht richtig. Relevant ist er jedoch nicht. Ich verweise auf Markus Gabriel “Warum es die Welt nicht gibt”. Der Kölner Philosophieprofessor zeichnet verblüffend einleuchtend nach, dass es keine ideologiefreie Sichtweise gibt. Der menschliche Geist ist für die Komplexität der Welt einfach zu “schlicht gestrickt”. 

Wie sollten wir die Debatte über die notwendige Rettung des Klimas führen, ohne unseren eigenen Wohlstand zu ruinieren?

Meine Antwort: Indem wir lernen, mit dem Unvermögen unseres Intellekts zu leben und uns von geschlossenen Denkmodellen verabschieden. Statt dem argumentativen Gegner “Ideologieverdacht” zu unterstellen, worin wir hegelianisch oder postmarxistisch allesamt geschult sind, sollten wir uns darauf konzentrieren, die größten Hindernisse auf dem Weg zur Klimaverträglichkeit zu identifizieren und zu eliminieren. So könnten wir schneller die notwendigen Konsequenzen zu ziehen: Zu hohe Kosten, zu großer Zeitverzug bei der Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen, zu starke Abhängigkeit von politischem Handeln (insbesondere von politischen Betrachtungsweisen und Fördergeldern). 

Politische Parteien wollen keine Probleme lösen, sondern die Zahl der Bürger, die ihre Sichtweise teilen, vergrößern!

Worin die politischen Parteien ihre Bürgerinnen und Bürger täuschen: Ihnen geht es nicht darum, Probleme zu lösen, sondern “die Herde”, die ihre spezifische Sichtweise der Problemlösung teilt, zu vergrößern. Sie ideologisieren also. “Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit”, lautet § 21 des Grundgesetzes. Dem neutralen Betrachter drängt sich immer mehr der Eindruck auf, die Parteien wollten die politische Meinungsbildung ihrer Bürgerinnen und Bürger dominieren. Dagegen, um bei den aktuellen Fragen unseres Parteiensystems zu bleiben, begehren immer mehr Bürgerinnen und Bürger auf. Deswegen haben neue politische Gruppierungen wie AfD, die Wagenknecht Parteien die Werteunion, vielleicht auch die von Erdogan initiierte oder alimentierte Gründung von DAVA eine enorme Chance. Sie bündeln den Unmut wachsender Gruppen in der Bevölkerung.

Wenn sich die Haltung in den Parteien nicht ändert, haben wir Ende 2024 ein anderes Parteiensystem!

Wenn die starken und halbstarken Parteien “der Mitte”, von links nach rechts, SPD, Grüne, FDP, CDU/CSU dieses “disruptive Element” nicht verstehen und ihren Versprechenswettbewerb nicht sofort einstellen, so meine These, werden wir am Ende dieses Wahljahrs 2024 in Deutschland ein komplett anderes Parteiensystem vorfinden. Einen Vorgeschmack erhalten wir aktuell in den Niederlanden. 

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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