Weiter so? Trotz immer mehr Zustimmung für die AfD?

Der Sommer ist zu Ende, der politische Wahnsinn geht weiter. Blick auf die Bundesregierung: Trotz gegenteiliger Versicherungen spielt sie sich selber Opposition. Eine CDU/CSU braucht es da gar nicht. Und im übrigen ist die ebenfalls mit sich selber beschäftigt. Der weiße Elefant im Raum heißt über und unter dem Allem: AfD. 

Es wird über Brandmauern gesprochen, tabuisiert, dämonisiert. Ja, man sollte die Alt- und Jungnazis und ihre Geldgeber im Hintergrund wirklich ernst nehmen. Aber bedeutet das wirklich, dass man die von der AfD hochgebrachten Themen, Migration, der Wunsch nach Übersichtlichkeit und Vertrautheit weiterhin tabuisieren (und dann, wie in Sachen EU Grenzschutz heimlich annektieren) sollte?

Sachlichkeit und Ergebnisorientierung, das wäre ein Rezept gegen die AfD

Ich denke nein. Beispiel Migration: Es geht doch lediglich um die Frage, wie man die illegale Einwanderung bremsen kann. Oder diejenigen, die kommen, danach zulassen kann, wer eine für unsere Gesellschaft nützliche Eigenschaft mitbringt. Dann könnte  es auch mit der Integration klappen. Aber weil es keine einfache Antwort gibt, wird das Ganze moralisiert, zur Prinzipienfrage erklärt. Und eben nicht zufriedenstellend geregelt.

Die größte Triebkraft der AfD-Zustimmung ist die Verärgerung über die immer weiter wuchernde öffentliche Platznahme “der Politik”, ohne dass ihre Maßnahmen greifbare Ergebnisse liefern (siehe Migration). Eine wachsende Zahl der Bürgerinnen und Bürger ist der Auseinandersetzung in und zwischen den Parteien, zwischen Personen mit Karriereinteressen, zwischen Konzepten, die längst keiner mehr verstehen kann, rund um mögliche Kanzlerkandidaten, etc. überdrüssig. Sie wollen, dass mal einer oder eine “auf den Tisch haut” und all den Ärger durchhält. Das würde Glaubwürdigkeit herstellen. 

Bundesregierung lobt, dass sie bereits 180 Gesetze auf den Weg gebracht hat. Sie begreift nicht, dass sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger dadurch gemaßregelt fühlen

Der hektischen Betriebsamkeit stehen ein paar merkwürdige Tatsachen gegenüber: Die Gesetze werden im Hau Ruck Verfahrren gemacht und müssen noch während der Beratung (Stichwort: Heizungsgesetz) stark verändert werden. Während die Bundesregierung an strengen Klimazielen festhält, klemmt es erheblich im Maschinenraum: Keiner will die Stromstrippen, keiner will die Windräder: Not in my Backyard.

Und weil die Politik Konflikte fürchtet wie der Teufel das Weihwasser, lagert sie Entscheidungen aus. Zum Beispiel an Bürgerräte oder runde Tische, bei denen am Ende nur noch diejenigen am Tisch sitzen, die sonst nichts zu tun haben. 

Fragt sich, wofür die Abgeordneten dann alle bezahlt werden, wenn sie eben nicht mehr Abwägungen treffen, diskutieren, moderieren (am Stammtisch, draußen, anstatt innerparteilich zu taktieren) und sich für die Ergebnisse, wenn sie nicht passen, “prügeln lassen”. 

Auch als Parteimitglied fühle ich mich dem politischen Treiben fremd

Als Mitglied der Partei mit der umweltfreundlichen Farbe, zudem als Lobbyist, Berater und Thinktanker sogar beruflich mit Politik befasst, bin ich müde von der dauerhaften Einmischung der Politik in alle Lebensbereiche. Das aufgeklärte und argumentationsstarke Mitte-Links-Lager und sein NGO Umfeld verstopft politische Debatten (Ich finde ja, Debatte müssen, Auge in Auge, am Stammtisch stattfinden) mit immer neuen Framings, Agendasettings, Taktiken, die so durchschaubar sind, dass das auch der politikaverseste versteht. 

Schnellanalyse: Es werden Prinzipien aufgezählt, die man bei der Lösung des Problems berücksichtigen müsste. Nehmen wir Förderprogramme, z.B. Zumeist sind sie überladen von Vorgaben,oftmals finanziell unterausgestattet (es gibt ja so viel zu tun), die Bearbeitung zu bürokratisch, kurz, die Politik und ihre Grundübel, die Einmischeritis und die Besserwisserei, haben sich längst zum Flaschenhals gesellschaftlicher Beweglichkeit entwickelt. Weniger Politik, dafür wirksame, wäre besser!

Parteien sind Karrienschmieden für Besserwisser. Aber wir brauchen Bessermacher!

Meine Schnellanalyse: Parteien sind längst zu Karriereorganisationen geworden. Diese starke Binnenorientierung der Möchtegerne- und Mandatsträger (wir erinnern uns, ein Element der Grünen war es, Rotation und “Politik auf Zeit”) zwingt Kanzler, Minister ständig dazu, ihre Fraktionen und Mitglieder auf Kurs zu halten. Wie die Stimmung in der Bevölkerung ist, das kriegen sie (übrigens auch viele der HauptstadtjournalistInnen) nicht mit. 

Und um das festzuzementieren, kommt es zu 150 seitigen Koalitionsvereinbarungen, die nach dem Motto, gibst Du mir, gebe ich Dir, die alten Narrative und Konzepte stur abgearbeitet werden. Im sprichwörtlichen Falle: Koste es, was es wolle. 

Denn das spüren die Bürgerinnen und Bürger: Immer mehr Gesetze bewirken immer weniger spürbares, frei dem Motto: Die Absicht hör’ ich wohl, mir fehlt der Glaube. 

Ernsthaftigkeit gibt es wohl, aber offensichtlich nur in Notfällen.

Ich  mache ein paar Ausnahmen: Wenn es ernst wird, siehe Ukraine, aber auch zuvor, in der Coronafrage, gibt es immer noch große Ernsthaftigkeit. Und dass jetzt Robert Habeck, quasi im Alleingang, jetzt das weltweite Klima retten, das entsprechende Versagen der Vorgängerregierungen kompensieren will und sich die wichtigsten und schwierigsten Themen auf den Schoß geladen hat, ringt mir große Anerkennung ab. Er meint es ernst, auch wenn ich nicht glaube, dass Deutschland das Klima nach einem politischen Generalstabsplan retten kann: Die Politik liefert ja selbst nicht, weil die politischen Ränkespiele zwischen den Parteien, zwischen Bund, Ländern und der EU, zwischen Politik und Bundeskartellamt, EU Gerichtsbarkeit und einer immer weiter politisierten, aber immer weniger leistungsfähigen Bürokratie, die Dienst nach politischer Agenda macht (und Entscheidungen.

Artikel 21, GG: Die Parteien wirken bei der Willensbildung mit

“Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit”, so steht es im Grundgesetz, Artikel 21. Wenn wir heute die politische Arena überblicken, müssen wir feststellen: “Die Parteien möchten die politische Willensbildung des Volkes dominieren”. Typisch oligopole Elemente.

Aber so war das nicht gedacht, schon gar nicht in Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen herausfordernder werden, die Gesellschaft also wieder lernen muss, sich selbst zu helfen. Ohne Förderprogramme. Einfach weil es im eigenen Interesse ist, weil man mit richtigen Produkten Geld verdienen kann, weil man dem oder der Nachbarin helfen möchte. 

Mehr gesellschaftliche Selbstwirksamkeit wagen!

Selbstwirksamkeit könnte man das nennen. Und wenn die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag als Arzt, Krankenschwester, UnternehmerIn, als Installateur, in all ihrem beruflichen und Alltagserleben dann spüren würden, dass sie geschätzt werden, etwas bewirken können, Spaß haben und nicht nur als sinnlos empfundene Vorgaben abarbeiten müssen, dann würde und könnte sich daraus auch eine neue gesellschaftliche Dynamik heraus entwickeln. Eine Dynamik der Veränderung. Von unten. 

Und mit dieser Koalition quer zu den Fronten waren ja mal genau diese Hoffnungen verbunden: Die Grünen wollen das Klima retten, die SPD eine gerechte Gesellschaft, die FDP spielt die gute Hausfrau, die das Geld zusammenhält, das könnte doch ne gute Dynamik geben.  

Dass es bisher eben keine gute Idee ist, hängt damit zusammen, dass jeder in dieser Ampelkoalition (Das Bild passt: Sie steht gleichzeitig auf Rot, Gelb und Grün) auf seinen parteilichen Vorteil bedacht ist. 

Joschka Fischer hat damals, Eier und Tomaten flogen, einem grünen Parteitag mal gedroht, ich denke, es ging um den Kosovo: Wenn ihr das beschließt, werde ich das nicht umsetzen. 

Ich wünsche mir einen Kanzler, einen Vizekanzler und einen Finanzminister, die sich gemeinsam hinstellen und reinen Tisch machen. Die Botschaft: Wir haben festgestellt, dass sich die Welt schneller ändert als unsere Regierungsvereinbarung das berücksichtigen kann. Auch mit Schuldenbremse (und Sondervermögen) haben wir genügend Geld im Haushalt. Wir konzentrieren uns in den letzten 2 Jahren darauf, das zu tun, was mit diesem (ohnehin wachsenden) Haushalt zu machen ist, wir konzentrieren uns darauf, dass das, was beschlossen ist, schneller umgesetzt werden kann, dass Deutschland seine überflüssige Bürokratie auf den Müllhaufen schmeißt, dass gute Verwaltung wieder gute Verwaltung sein kann (und nicht jeder politischen Mode nachlaufen muss), dass UnternehmerInnen, ArbeitnehmerInnen und Selbständige wieder Freude an der Arbeit (und nicht nur an der Debatte um Work-Life-Balance und Vier Tage Woche) haben. 

Das wäre Führung! Das würde den Zorn mindern und die Lust am Mitmachen steigern. Das würde den Strippenziehern bei der AfD den Boden unter den Füßen wegziehen. Und das würde Demokratie auch wieder dazu machen, was es ist: Eine öffentliche Meinungsbildung die im Land stattfindet und an der jeder mitarbeiten kann. Und die in Berlin wahrgenommen und aufgegriffen wird. 

Mein Wunsch für 2024 und 2025.

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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