Von Trump kann man nichts lernen, so die Reaktion auf meinen letzten Post. Auf der anderen Seite: Das macht ihn noch nicht weg. Hinsehen ist besser als wegdemonstrieren. Nüchternheit besser als Angst und Abscheu. Versuch einer Antwort.
Uns die Welt nicht schönreden
Wir haben viele gute Ideen: Ein gemeinsames Europa, das miteinander Handel treibt anstatt sich zu bekriegen. Einen Staat, der sich um unsere Rente kümmert. Und unsere Kindergärten. Die Schulen, das Gemeinwohl, die Krankenhäuser, Institutionen die sich um unsere Armen kümmern. Der neueste, heiße Scheiß: Wir haben eine Regierung UND eine EU-Kommission, die sich um die Wirtschaft, um das Wirtschaftswachstum, um die Transformation kümmern, so dass unser Planet nicht einerseits absäuft und andererseits vertrocknet.
Aber tut er das wirklich? Oder haben wir unsere Gesellschaft, die deutsche, und die europäischen Gesellschaften nicht so organisiert, dass zwar immer mehr Menschen und Institutionen darüber reden, dass das passieren MÜSSTE. Aber nix passiert.
Effektivität und Effizienz priorisieren
Wir reden davon, dass politische Entscheidungen legitime Entscheidungen sind. Gut so! Aber sind sie deswegen auch effektive und effiziente Entscheidungsmuster? Oder sind sie nicht doch zu Entscheidungsinszenierungsritualen erstarrt, die spät, oft mich schlechten Kompromissen behaftet, teure und umständliche Entscheidungen treffen?
Das Subsystem Politik in BALANCE bringen
Ist der politische Sektor, also Politik, NGOs, Medien und auch das ganze Spitzenverbandswesen nicht längst zu einer Selbstbeschäftigung einer eigenen Subkultur geworden, die immer mehr Entscheidungen an sich zieht; -um sie dann nicht zu treffen. Oder die notwendigen Entscheidungen aufzuschieben? Ich nenne nur die Rente, unser Gesundheitssystem, unsere Kindergärten, jeder von uns, die wir in diesen Bereichen der Politik, der Politikbeobachtung und -beratung arbeiten, kann die Herausforderungen noch im Schlafe aufzählen, die seit Jahrzehnten ohne nachhaltige Lösungen dahindümpeln? Es ist erhellend, wie fassungslos meine ukrainische Flüchtlingsfamilie auf die intentionslosen Kindergärten blicken, in denen Kinder nichts lernen. Spielen, dabei aber nicht angeregt, sondern nur beaufsichtigt werden. Wie sie auf unsere Schulen blicken, in denen Lehrkräften und Schulleitern so viel vorgeschrieben wird, Integration, Inklusion, Leistungsorientierung, aber sie nicht über die Freiräume und Ressourcen verfügen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass junge Menschen bildungsfähig (sprachlich und kulturell) und bildungswillig werden. Leistung ist noch immer eine Frage der Haltung, der inneren Motivation. Kurz: Einer früh herangereiften Neugier!
Und glauben wir wirklich, “der Politik” gelingt es, im parteipolitischen 4-Jahres-Hin und Her wirklich kreative und innovative Lösungen für die Transformation (eines der Lieblingsworte der vergangenen Jahrzehnte) zu schaffen?
Die freie Gesellschaft wieder freier organisieren
War und ist es nicht die Idee einer freien Gesellschaft, dass sie sich, wie organische Systeme, Schwarmintelligenz, aneinander orientiert und dadurch immer wieder neu ausrichtet? Weil Wissenschaft Wissenschaft betreibt (und kein Agendasetting), weil Unternehmen etwas unternehmen, indem sie individuelle oder gesellschaftliche Wünsche, Opportunitäten oder Herausforderungen identifizieren, um dann einen Beitrag zur Lösung zu produzieren. Und das können sowohl Unternehmen sein, als auch Institutionen. Nur bitte: Ob Staat, öffentliche Verwaltungen, Unternehmen, Genossenschaften und welche institutionellen Formen es sonst noch geben könnte: Alle möchten stolz sein auf ihre Ergebnisse, möchten das, was sie tun, gerne tun. Und auch die Freiräume haben, das, woran sie glauben, auch tatsächlich tun zu können. Verantwortung für ihr Tun übernehmen zu können. Stolz sein können, auf das, was sie tun? Gesehen werden für ihre Leistungen?
Nicht mehr von der griechischen Agora träumen
Unsere Griechischlehrer haben uns das schöne Bild gemalt: Männer, die umherwandelnd debattierend die beste Lösung finden. Neudeutsch: Der herrschaftsfreie Dialog. Tatsächlich nur eine Geschichte. Zudem nicht passend, wenn immer mehr Menschen keine Zeit, keine Lust oder kein Verständnis dafür haben, auf der Agora zu disputieren. Weil sie eingewandert , aber noch immer nicht akzeptiert sind, weil sie nicht reden wollen, sondern was tun. Weil sie Hunger kennen und deswegen einfach Wohlstand und Sicherheit wollen. Weil sie etwas Sicherheit gewonnen haben und befürchten, dass das wieder unter die Räder kommt. Diese Traumagora gab es nicht. Und eine freie Gesellschaft ist eine, die darauf stolz ist, dass wir voran kommen. Weil Menschen was tun und nicht nur reden wollen. Weil Menschen auf das, was sie tun, stolz sein wollen!
Die Blockade der “Regelbasierungen” beenden
Ist das in unserem juristisch fixierten und oftmals dysfunktional gegeneinander arrangierten oder interpretierten institutionellen Rahmen überhaupt möglich? Das Gegeneinander der Parteien? CDUCSU gegen SPD und Grüne. Linke für das Paradies auf Erden. Mit glücklichmachenden kollektiven Entscheidungsverfahren. AfD zurück zur Scholle. Aber nur für Biodeutsche? Kommunen als Knechte übergeordneter Entscheidungen, Bund gegen Länder, Europa gegen Bund, EU-Kommission gegen Parlament und Ministerrat. Und dann noch die Jurisdiktion? EU-Gesetzgebung gegen nationales Recht.
Wie klingt, wenn wir das im Hinterkopf haben, der Begriff “Regelbasierte Ordnung”? Irgendwie schräg, oder? Wird dann nicht verständlich, dass Menschen, die am Land leben, die in den neuen Bundesländern mit einem ganz anderen Erfahrungs- und Wahrnehmungshintergrund als die gut gepamperten Westdeutschen zweifeln? Können wir dann nicht nachvollziehen, dass da Emotionen und Wut hochkochen? Erinnerungen an die frühere Nomenklatura hochschäumen? Oder die viel zitierten Migranten. Die fortschrittliche Linke, die immer das Beste für alle Menschen hier und überall auf der Welt möchte. Aber dabei vergisst, dass Ressourcen nicht unendlich zur Verfügung stehen. Dass man von EINEM Moonshooting Projekt sprechen kann, aber nicht jedes Projekt ein Moonshootingprojekt werden kann. Weil es dazu Ressourcen UND entsprechende Handlungsfreiheit braucht.
Von Trump nur das Relevante lernen
Ich bin kritisiert worden, wie ich wohl sagen könnte, “was wir von Trump und Musk lernen können”. Ganz einfach: Sie haben erstarrte Rituale durchbrochen. Und plötzlich steht das institutionell reichlich ausgestattete Europa nackt da. Natürlich moralisch empört. Die richtigen Menschen gehen zu den richtigen Demonstrationen. Ich will das nicht kleinreden, das ist wichtig. Aber eine Lösung?
Ist es nicht.
Unsere Gesellschaft muss resilienter werden. Heißt es. Europa muss seine Autonomie wiederherstellen. Hat die EU beschlossen. Die Sage von Europa (lt. Google): “Die griechische Sage „Europa“ erzählt davon, wie der Kontinent Europa entstand. Vor etwa 3000 Jahren lebte eine wunderschöne phönizische Prinzessin namens Europa mit ihren Eltern in einem großen Palast. Sie liebte es, im Wald spazieren zu gehen und die Tiere zu beobachten.”
Europas Probleme lösen. In den Koalitionen, die sich ergeben
Schön oder? Aber nicht wahr. So ist die Welt nicht. Europa konkurriert mit anderen Kontinenten, anderen Systemen, die, lange erkennbar, unternehmerischer und dynamischer sind (USA), dynamischer und jünger sind (Indien), dynamischer, unternehmerischer und mit “harter Hand geführt” sind (China). Und getreu der Sage Europa träumen wir von Work-Life-Balance, von bedingungslosem Grundeinkommen, von der Schönheit kollektiver Entscheidungsfindung (wobei alle, die jemals Teil solcher Entscheidungsprozesse von Menschen, die einander nicht kennen und nicht vertrauen, Horror davor haben). Und um mal Technologie ins Spiel zu bringen, von Open Source. Nicht wie in den USA, dort, wo man sich einigen kann, wo es passt, sondern als Prinzip! Könnte nicht endlich etwas mehr Realismus in unsere Debatten einziehen?
Mehr Realismus wagen. Probleme lösen. Jeder, wo er steht.
Nassim Nicolas Taleb, ein Börsentrader libanesischer Herkunft, hat mehrere Bücher geschrieben. “Schwarze Schwäne” ist bekannt. “Antifragilität” ist etwas sperriger und sucht nach Antworten, wie man sich in komplexen Systemen, die durch unerwartete und unvorhergesehene Ereignissen geprägt werden -und neben den vorhersehbar ungelösten, die wir oben beschrieben haben, gibt es die auch noch-, also globale Finanzmarktkrise, Covid, Putin, gut behaupten kann. Seine Antwort: Anstatt die Verantwortung für “große Entscheidungen” immer nach oben, sprich, an die Politik durchreichen und dadurch die Binnenkomplexität der Systeme noch zu erhöhen, wäre es sinnvoller, erstarrte Systeme wieder zu flexibilisieren. Weil, so die Logik, wenn einzelne Akteure jeweils für ihren Bereich Lösungen suchen, manche erfolgreich sind, manche aber auch scheitern, wird das Gesamtsystem leistungsfähiger. Extrembeispiel: Posttraumatisches Wachstum, während wir nur von posttraumatischer Belastungsstörung sprechen.
Posttraumatisches Wachstum für Europa!
Unsere Traumata heißen Putin, Trump, Musk. Und die erstaunliche “Flexibilität” einer tatsächlich rückgratlosen Techelite. Sind wir bereit für posttraumatisches Wachstum?