Wir haben verstanden. Haben wir?

Eine Wahlkampf Bilanz aus grüner Sicht

Die Tage nach der Europawahl. Klar, die Ampel hat einen Denkzettel erhalten, wenngleich in unterschiedlicher Stärke. Die FDP, trotz profilierter Kandidatin nur knapp über der Bundeswasserkante 5%, zeigt Stabilität im Untergang. Die CDU feiert sich als Sieger. 30%, den Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten wollen allerdings nur 20% der Menschen als Kanzler sehen. Der Vollständigkeit halber: Den amtierenden Aktentaschenträger Scholz allerdings auch nur 25%. Kanzlermalus. Oder anders gesagt: Lediglich 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler schenken ihre Stimme den “bürgerlichen Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP. Ein Viertel der Wählerinnen und Wähler “geht von der Angel”. Vertrauen sieht anders aus.

Und wem das noch nicht genügt: In den neuen Bundesländern könnten AfD und BSW, ohne beide Parteien in einen Topf zu werfen, bereits in den meisten Bundesländern eine Regierung bilden.

Die Brandmauer gegen rechts.

Jetzt ertönt wieder der Ruf nach der Brandmauer gegen Rechts. Das wird nichts helfen. Denn die Wählerinnen und Wähler deuten diese Brandmauer als das, was sie ist: Tabuisierung statt Kontroverse. Leugnung statt Auseinandersetzung. Nicht wahrnehmen müssen. Damit “Wohlfühldeutschland” weiter machen kann!

Wir formulieren es mal andersherum: Das Erstarken der AfD (und als linke Resultante, der BSW) ist nicht das Problem, sondern die Folge einer Politik, die sich in Themen, Wahrnehmung und Sprache längst von ihren Wählerinnen und Wählern verabschiedet hat. Die deren Besorgnisse nicht mehr wahrnimmt, sondern sie ausblenden will. Aber das ist vorbei. 

Dabei ist der Dauerstreit der Ampel lediglich der Auslöser, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Den wilde Aktionismus, den Rot und Grün in dieser Legislative gestartet haben, von der sie nur von der FDP mit ihrem Schuldenbremsencredo gebremst werden, könnte man ja zurecht als Folge eines “sie kennen mich” Stillstands der Ära Merkel noch rechtfertigen. 

Wobei “Sie kennen mich” ja nicht heißt, dass nichts passiert ist. Die Merkelsche Leitlinie war ja, ich schaffe verlässliche Außenbeziehungen, die SPD darf sich nach innen ausleben, wie sie will. Und die sozialdemokratischen Minister waren unter Merkel in Sachen Umverteilung weder untätig, noch erfolglos. Sie haben aktiv die Leistungen der ersten rotgrünen Regierung, Verschiebung des Rentenalters, “Fordern und Fördern”, wieder zunichte gemacht. 

Bravo!

Wir kommen zurück zur Ampel! 

Mit dem Klimawandel kann man nicht diskutieren, so lautete das grüne Credo. Und Gerechtigkeit darf, so die SPD, nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden (Wissen die denn nicht, dass sie in der großen Koalition beteiligt waren?). 

Der Koalitionsvertrag hat, genauer betrachtet, bereits einen Ausblick darauf gegeben, dass die regierungsbildenden Parteien auf 160 Seiten alle ihre Lieblingsprojekte aufgeführt haben, die weder in vier Jahren, noch im sturen Nebeneinander abgearbeitet werden können. Es gibt ja weder Goldregen, noch liefert die Industrie unabhängig von den Rahmendaten. Schon gar nicht mit dem Cetero Censeo der FDP, der Schuldenbremse. 

Das sind die teuren Learnings der 20. Legislaturperiode, spätestens, seit das Bundesverfassungsgericht der bauernschlauen Umwegfinanzierung Sondervermögensumverteilung, einen Riegel vorgeschoben hat. 

Jetzt ist guter Rat teuer. Zumal die Überambitioniertheit der Politik zu einer zusätzlichen Schwächung der Wirtschaftskraft geführt hat. Laut Familienunternehmen ist Deutschland auf dem Länderindex innerhalb von 7 Jahren von Platz 6, 2007 auf Platz 18, 2024 abgerutscht.

Aber jetzt, was tun?

Noch halten die Mauern innerhalb der jeweiligen Parteienfestungen. SPD und Grüne wollen “ehrlich aufarbeiten”, aber inhaltliche und personelle Konsequenzen soll das nicht haben. Und FDP bleibt weiterhin Verschuldungsbremse. Also weiter, wie gehabt!

In der Ampel, so erkennt man, werden schon kleine Schritte mit großen “Neins” belegt. Robert Habecks Vorstoß, das deutsche Lieferkettengesetz auszusetzen, damit sich die Unternehmen auf das europäische vorbereiten können (und nicht auf einmal von doppeltes Lieferkettenmonitoring betreiben müssen), von der der SPD ausgebremst. Nichts gelernt. Niemand in SPD und Grünen wagt einen Vorstoß gegen den jeweiligen innerparteilichen Konsens, der doch so erkennbar zur landesweiten Spaltung führt.

Meine These: Wenn einer der spitzengrünen Akteure sich mal mutig gegenüber des grünen Basiskonsenses zeigen würde und die Ampel dann gemeinsame Regierungspolitik machen könnte, würden die Wählerinnen und Wähler sagen: Respekt. Die anderen würden zur gesinnungsethisch ertüchtigen Linken oder der europapositivistischen VOLT wechseln. Erst das Land, dann die Ampel, dann die Partei. So ist es dann, entscheidend ist, was hinten rauskommt!

Weist die Industrie den Weg?

Ich gebe zu, zuerst habe ich meinen Augen nicht getraut. Der BDI fordert ein Sondervermögen von 400 Mrd. € für Infrastrukturprojekte. Anders gesagt, der Industrieverband will, dass, statt auf Kunden und Märkte zu achten, er sein Geld durch aufwändige politische Entscheidungsprozesse erhält.

Ist das Wahnsinn? Oder Unterwerfung?

Wenn man von den Prinzipien auf die “Hier und jetzt” Perspektive wechselt, könnte man argumentieren, die Industrie hat der Ampel einen Ausweg gebahnt. Die Infrastruktur braucht Investitionen (wir blenden jetzt mal die Frage aus, wie diese Entscheidungen im “Sowohl als Auch”-Modus zerrieben werden könnten. Wie beispielsweise die europäischen Investitionsmilliarden zerronnen sind). Und vorrangig geht es darum, den Entscheidungsstau zwischen den politischen Akteuren, die politischen Blockierer zu überwinden, flüssig zu machen. 

Dann könnte das Sinn machen……. 

Soweit erst mal. Zum Nachdenken!

Nikolaus

Frühaufsteher. Politischer Beobachter aus Leidenschaft. Das Bessere in der Welt entsteht nur, wenn man und frau sich neues zu denken traut.

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