Ich sehe mir inzwischen keine Talkshows mehr an. Wenn ich es aber, wie am Wochenende, als Edmund Stoiber, Olaf Scholz und Simone Peter miteinander stritten, doch tue, dann mit den Augen von Menschen, die sich einfach mal informieren wollen.
Sie erlebten einen tobenden Stoiber, einen unendlich gelassenen Olaf Scholz und eine Simone Peter, die auch was sagte. Das war von außerordentlicher Wolkigkeit, dass auch ich nicht wusste, was sie eigentiich will.
Grüner Sidestep
In einem anderen Zusammenhang schrieb, die Zeit, Mariam Lau, vergangene Woche, wer die Grünen derzeit erlebe, wüsste, was diese an den anderen Parteien kritisieren. Sie wüssten aber nicht, wofür sie stehen.
Man kann nur hoffen, dass das besser wird, wenn Cem Özdemir am Mittwoch als Spitzenkandidat nominiert wird. Vergangenes Jahr hat er bewiesen, dass er Gespür hat.
Die Müdigkeit des Westens
Über die Grünen hinaus müssten wir aber die Frage beantworten können, wie geht es weiter mit dem Westen?
Die USA: Trump irrlichtert weiter twitternd rum, dass es letztlich nur eine Hoffnung gibt: Er will seinen eigenen Reichtum nicht zerstören. Das spätpubertäre Gehabe zerschießt ökonomische Werte, weil es jede Menge Unberechenbarkeit inne hat.
Großbritannien: Wenn Theresa May jetzt den Alleingang wagt oder den Schulterschluss mit den USA sucht, wird das spannend. Das Billigsteuerland Großbritannien gegen den Rest Europas?
Echte Debatten darum, was zu tun ist.
Die Scheindebatten öden mich an. Die politischen Parteien gruppieren sich um Scheingrundsätze, um die es gar nicht geht: Bist du für die Globalisierung oder dagegen? Völliger Blödsinn diese Frage, gerade in Deutschland. Die wirkliche Fragestellung wäre ganz einfach. Sie begänne mit einer Ortsbestimmung un dem Möglichkeitsraum: Was kann nationale Politik tun, um die Globalisierung zu, nennen wir es „framen“, also mit Leitplanken zu versehen, damit Globalisierung und Digitalisierung die Menschen nicht um ihre Zuversicht und ihre Arbeit bringen. Und was kann Europa tun?
Wenn es dann gelungen wäre, die Spielräume zu definieren, die nationale und europäische Politik haben, um Globalisierung zu moderieren (um anderes geht es nicht), dann könnten sie sich darauf konzentrieren, in diesem realen Handlungsraum ihre Alternativen zu debattieren.
Das wäre eine echte politische Debatte. Aber so erscheint es immer, als ob die TV-Debatten so ne Art Ablenkungsmanöver sind, damit keine der politischen Streithähne, dahin sehen muss, wo er die Begrenzung seiner „Gestaltungsmacht“ benennen muss.
Die Grünen, Cem ausgenommen, denn der redet nüchtern über die globalen Prolbeme, palavern von Weltoffenheit, natürlich nur, weil Angela Merkel durch Zahlungen an Erdogan das Flüchtlingsproblem aus dem alltäglichen Blickfeld der Deutschen befördert hat (bis auf weiteres). Da kann man sich schön unschuldig wähnen). Trotzdem wird Merkel immer dafür angegriffen, als würde sie noch heute „Welcome Refugees“ rufen. Was sie nun nachweißlich (wenngleich unausgesprochen) längst nicht mehr tut.
Ich verstehe jeden Malocher, der seinen Arbeitsplatz durch Verlagerung bedroht sieht, der dem Multikultigerede der Grünen (von Multikulti reden, von der griechischen, türkischen oder chinesischen Küche träumen), auf die Nerven geht.
Und umgekehrt: Es gibt keinen Ausweg aus einer Globalisierung (auch nicht aus der Digitalisierung). Aber die Zuzugsfrage, die Veränderung des öffentlichen Raumes, gerade in Stadtteilen, die es ohnehin schon schwer haben, findet tatsächlich statt.
Aber auch die Selbstsuggestion der Überfremdung in Gebieten, in denen es gar keine Flüchtlinge gibt.
Es geht also darum, darüber zu reden, was jetzt zu tun ist, welche Abwägungen man treffen muss. Und nicht darum, Dinge anzuprangern, zu beschwören, die man in dieser Grundsätzlichkeit nicht abschaffen kann.
Entweder in der Krise wächst das Rettende. Oder Europa versinkt in der Bedeutungslosigkeit.
2017 wird ein Schicksalsjahr. Wir alle können nur hoffen, dass Trump von der Komplexität der Wirklichkeit eingeholt wird. Unabhängig davon muss Europa begreifen, dass jetzt keine Zeit für träumerische Europadebatten ist, sondern es darum geht, Europa „robust“, neudeutsch resilient, aufzustellen. Es muss also, Pazifismus hin oder her, militärisch fähig sein, gegen Putin gegenhalten zu können. Und es muss nüchterner darüber reden, was die Völker Europas wollen. Der Trend ist dabei klar: Atempause. Zumindest.
Wenn UK jetzt gehen will und ankündigt, das Land wolle auf jeden Fall selbst definieren, wer über ihre Grenzen kommt, ist das eine Entscheidung. Es liegt nicht an den Resteuropäern, zu entscheiden, ob das richtig oder falsch ist. Es liegt aber an den europäischen Ländern, zu erkennen, dass die Position, wir wollen offene Grenzen um jeden Preis, eine ist, in der sie sich um Kopf und Kragen reden. In jedem europäischen Land gibt es wachsende Bewegungen, denen die Einwanderung zu weit geht.
Um also die Unzufriedenen in jedem der Länder mitzunehmen, wäre es da nicht schlauer, die Debatte würde sich darum drehen, welche moderierende Möglichkeiten jedem Land gegeben werden, in Sachen Freizügigkeit ein Stück zurück zu gehen? Politik ist eben Volksvertretung und die Stimmungslage ist so, wie sie ist. Man muss sich nur von seinen ideologischen Grundpositionen befreien und
1) sich im realen Handlungsraum die realen Handlungsoptionen klar zu machen und dann
2) in einem nächsten Schritt die Debatte um diese Alternativen zu führen.
Das wäre Politik, die sich an der Realität versucht. Und nicht eine Politik, die Prinzipien-Schimären vor sich herträgt.
Wenn die Politik dann an die Macht gekommen ist, hat man ohnehin den Eindruck, dass alle dasselbe machen.
Außer, es kommt einer wie Trump.
Das Gute an Trump: Er wirft politische Debatten auf ihre Wirklichkeit zurück.
Ganz ehrlich: Ist dieser Populismus, der uns gerade so schwer erträglich scheint, nicht einfach die Quittung für eine selbstverliebte, abgehobene, scheinschöne Debatte um politische Konzepte, die, wenn sie Konflikte bedeuten, sowieso niemand umsetzt?